Teil 3/3
Lebensraum Salzwiese - Tiere
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Mechanismen:
Auch Schafe prägen seit Langem das Bild von Salzwiesen (1)
1. Einleitung
2. Die Insekten der Salzwiese
3. Die Vögel der Salzwiese
4. Die Lebensgemeinschaften der Salzwiese
5. Das Nahrungsnetz
6. Die Gefährdung der Salzwiesen

 

Einleitung

Nicht nur die Pflanzen, auch die Tiere der Salzwiese müssen mit den extremen Lebensbedingungen dieses Lebensraumes erst einmal zurechtkommen. Natürlich haben sie dafür spezielle Mechanismen und Verhaltensweisen entwickelt. Doch auch, wenn sie ihr Überleben so erst einmal grundlegend gesichert haben, bleibt das Leben in der Salzwiese, wie in jedem Lebensraum ein stetiger Wechsel von Leben und Sterben, fressen und gefressen werden. Und natürlich ist alles irgendwie miteinander verknüpft, direkt oder indirekt, die Nahrungspyramide ist schließlich allgegenwärtig...

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Die Insekten der Salzwiese

Besonders die Insekten der Salzwiese, haben in ihrem Lebensraum einige Probleme zu bewältigen, die das Leben inmitten von Ebbe und Flut mit sich bringt:

Der hohen Salinität der Umgebung wird durch eine wasser- und salzundurchlässige Cuticula und einem Chitin-Panzer begegnet.
Die Aufnahme salziger Nahrung wird so weit wie möglich umgangen – Bledius furcatus und Bledius diota (Salzkäfer) z.B. nehmen vermehrt Nahrung nach Regenfällen auf und sammeln Vorräte, Macrosiphonella asteris (Asterlaus) saugt nur an den Pflanzenteilen, die eine niedrige Salzkonzentration aufweisen. Zudem sind Insekten in der Lage, hypertonischen Urin abzugeben. Die Salzkonzentration der abgegebenen Stoffwechselprodukte übersteigt den Salzgehalt im Inneren ihres Körpers. Allerdings kostet die Produktion derselben sehr viel Energie, was sich zu einem limitierenden Faktor zur Besiedlung der Salzwiese entwickelt. Zumindest für viele Süßwasser-Insekten.

Die mechanische Belastung bei Überflutung stellen ein weiteres Problem dar. Durch das Wasser können die empfindlichen Flügel schnell verkleben und Schaden nehmen. Zudem werden die Tiere so manövrierunfähig. Viele Insekten der Salzwiese verfügen über feste Elythren, bzw. meiden das Wasser (fliegende Blattläuse). Andere Insekten haben einen an die ständigen Überflutungen angepaßten Lebenszyklus: Viele Insekten entwickeln sich innerhalb von Pflanzen. Pteromaliden (kleine Erzwespen) z.B. verfügen zwar nicht über Elythren, verbringen ihre Larvalentwicklung jedoch als Blattminierer und sind so vor den Gezeiten geschützt. Die adulten Tiere breiten sich sehr schnell aus.

Auch zur Bewältigung des Sauerstoffmangels existieren mehrere Strategien. Einige Insekten fallen bei dem Kontakt mit Wasser (nicht erst bei tatsächlichem Sauerstoffmangel!) in eine Art „Wasserstarre“. In diesem Zustand werden, ähnlich der Kältestarre, nur die lebenswichtigen Funktionen aufrecht erhalten. Da so nur ein Bruchteil der normalerweise benötigten Stoffwechselenergie verbraucht wird, ist das Insekt in der Lage mit seinen Ressourcen für längere Zeit unter Wasser zu überleben.
Andere Insekten verfügen circatidale Rhythmen und leben so synchron zu den Gezeiten: Anurida maritima (Felskriecher, Fam: Springschwänze) kommt direkt nach Beginn der Ebbe an die Oberfläche und verkriecht sich vor dem Hochwasser wieder. Auch ohne Gezeiteneinfluß kann man bei dem Felskriecher ein solches Verhalten beobachten.
Insekten die im Boden leben bevorzugen gut belüftete Bodenbereiche. Hier bilden sich bei Flut stets Sauerstoffreservoirs. Ein Beispiel dafür ist die Aster-Wurzellaus Pemphigus trehernei, welche an den Wurzeln der Strandaster parasitiert. Zu finden ist sie nur an solchen Pflanzen, die an einer Abbruchkante oder am Prielrand stehen. Die Wurzellaus kleidet die Wände ihrer Höhlen mit Wachs aus, was ein Eindringen des Wassers erschwert. Trotzdem ist die Gefahr, weggespült zu werden, natürlich sehr hoch. Dieser Verlust wird durch eine sehr schnelle Entwicklung während der Ebbe kompensiert.
Die Eingänge zu den Wohnröhren des Salzkäfers Bledius spectabilis und der Laufkäfer Dicheirotrichus gustavii und Bembidion laterale wiederum sind so eng, daß bei Flut kein Wasser eindringen kann, wodurch diese Insekten dem Sauerstoffmangel bei Überflutung entgehen.


Schema eines Plastrons(3)
Eine andere Überlebensstrategie sind die physikalische Kieme und das sog. Plastron. Bei der physikalischen Kieme wird durch einen Luftvorrat der sich zwischen wasserabweisenden Haaren auch unter Wasser noch hält der Sauerstoffaustausch mit der Umwelt gewährleistet (Funktionsweise: siehe S. 6 „Kompensation des Sauerstoffmangels“). Die Tracheenöffnungen der Insekten liegen inmitten der Härchen (und damit der Luftblase). Jedoch nimmt auch hier das Volumen der Luftblase, durch den vergleichsweise viel höheren Sauerstoffbedarf als bei Pflanzen noch erheblich schneller, ab – sie muß regelmäßig erneuert werden. Das Plastron wird durch feinste, schief gestellte Härchen gebildet, welche am Ende gebogen sind. Die Härchen haben eine Wuchsdichte von 800.000-250 Mio./cm 2. Zwischen diesen Härchen entsteht ein Luftpolster. Im Gegensatz zur physikalischen Kieme ist dieses nicht kompressibel und verkleinert sich nicht, wodurch ein stetiger Sauerstoffaustausch mit dem Wasser gewährleistet ist, der dauerhafter ist als der der physikalischen Kieme. Allerdings ist ein Plastron beim Schwimmen recht hinderlich. Über diese Form der Atmung verfügen z.B. einige Puppen der Dolochopodidae (Langbeinfliegen).
Auch die Aerenchyme der Salzwiesenpflanzenwurzeln bieten eine Sauerstoffquelle, die von einigen Käfer- und Fliegenlarven angezapft und genutzt wird.

Schließlich gilt es auch noch die Gefahr des Verdriftens zu bewältigen. Einige Insekten suchen Schutz im Boden, andere erreichen dies durch ausdauerndes Festklammern an Pflanzenteilen oder versuchen, der Flut dadurch zu entgehen, daß sie sich so hoch wie möglich auf Pflanzen begeben, wo sie allerdings ein wunderbares Ziel für Vögel bieten. Die Larven der Aster-Wurzellaus machen aus der Not eine Tugend. Ihr Körper ist von Wachs überzogen. So sind sie praktisch nicht benetzbar und nutzen den Wasserstrom zur Verdriftung und Verbreitung. Gelangen sie an ihr Ziel, nämlich an eine Wirtspflanze, graben sie sich dort wieder in den Boden. Wolfsspinnen der Gattung Pirata sind gar in der Lage, auf ruhiger Wasseroberfläche zu jagen, da ihre Tarsen mit wasserabweisende Borsten ausgestattet sind.

Trotz all dieser Überlebensstrategien können durch Sturmfluten ganze Populationen ausgelöscht werden, z.B. durch Abbruch einer Prielkante. Hier entstehen neue Lebensräume. Auch hier wird die immerwährende und starke Dynamik des Wattenmeeres spürbar.

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Die Vögel der Salzwiese

Austernfischer (1)
Der dichte Bewuchs der Salzwiese dient vielen Vögeln als Nahrungsquelle, Rast- und Brutstätte.
So brüten hier zwischen März und Juli 20 verschiedene Vogelarten wie Haematopus ostralegus (Austernfischer), Tringa totanus (Rotschenkel) und Anthus pratensis (Wiesenpieper). Die Salzwiese und das angrenzende Watt stellen für sie eine ideale Nahrungsquelle dar.
Hinzu kommen bis zu 75 Zugvogelarten, die diesen Lebensraum als Zwischenstation und Raststätte auf dem Weg in ihre Zielgebiete nutzen, so z.B. Calidris canutus (Knutt) und Calidris alpina (Alpenstrandläufer).
Auch diese Tiere ernähren sich durchweg von salziger Nahrung. Doch auch sie sind in der Lange, hyperosmotischen Urin abzugeben. Zwar ist dieser doppelt so stark konzentriert wie das eigene Blut, jedoch ist diese Konzentration immer noch geringer als die des Salzwassers. Seevögel verfügen jedoch über Salzdrüsen. Diese liegen oberhalb der Augen und entleeren sich in die Nasengänge. Die Konzentration des Salzwassers, welches über diese Drüsen abgegeben wird, ist zwei- bis dreimal höher als die des Meerwassers.
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Die Lebensgemeinschaften der Salzwiese - ein Netz von Abhängigkeiten

Es leben etwa 1650 Tierarten in den Salzwiesen der deutschen Nordseeküste, deren Körperlänge mehr als 1mm beträgt („Makrofauna“). Außerdem entdeckte man bisher 400 Arten der Mikrofauna, also unter 1mm Körperlänge. In den folgenden Ausführungen wird fast ausschließlich die Makrofauna betrachtet.

Etwa 50% dieser Fauna (also ca. 800 Arten) findet man nur in der Salzwiese, sie sind also stenök. Der hohe Grad der Spezialisierung der Fauna wird durch die Tatsache verdeutlicht, daß in der unteren Salzwiese sogar 75% der dort lebenden Tiere stenök sind. Die Tiere der Makrofauna lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen, die in der untenstehenden Tabelle aufgeführt werden:

prozentualer Anteil Ernährungsweise/Konsumentenstufe Anzahl der Arten
30 % detritophag = 500 Arten
25 % phytophag = 410 Arten
18 % parasitisch / hyperparasitisch = 290 Arten
15 % carnivor = 245 Arten
6 % Vögel = 100 Arten
6 % unklare Ernährungsweise = 100 Arten

Für nähere Erklärungen zu den jeweiligen Lebensweisen entsprechenden Begriff anklicken! (benötigt Java Script)
Die prozentuale Einteilung der Salzwiesen-Makrofauna in Ernährungsweisen, bzw. Konsumentenstufen. Tabelle übernommen und verändert aus „Überleben zwischen Land und Meer – Salzwiesen- „ S. 133

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Das Nahrungsnetz


Nahrungsnetz(4)
Alle diese Tiere sind Bestandteil eines Nahrungsnetzes, dem auch die Mikro- und die Makroflora angehört. Dieses Netzwerk wird zunächst grob unterteilt in Produzenten und Konsumenten. Die Konsumenten spalten sich auch in solche ersten, zweiten, dritten, vierten und fünften Grades, und zwar nach dem Schema „wer frißt wen?“. Am Ende der Nahrungskette haben Tiere einen hohen Grad, liegen sie an der Basis einen entsprechend niedrigen.

Die Basis – Anfang und Ende - eines jeden Nahrungsnetzes bildet der Detritus – abgestorbenes organisches Material, aber auch Kot und Sediment. Dieser ist die Wachstumsgrundlage für die Produzenten, die Mikro- und Makroflora. Zur Mikroflora zählen Algen, Bakterien und Bodenpilze, die Makroflora umfaßt in diesem Falle die Salzwiesenpflanzen. Konsumenten ersten Grades ernähren sich unmittelbar von den Produzenten. Hierzu zählen detrito- und phytophage Lebenwesen. Diese werden von Konsumenten zweiten Grades – Carnivora und Parasiten – gefressen, welche wiederum Beute von Konsumenten dritten Grades werden. Auch dies sind Carnivora, aber auch Hyperparasiten. Es folgen Konsumenten vierten Grades – in diesem Lebensraum sind dies Vögel, welche letztlich von Konsumenten 5. Grades, den Greifvögeln, gejagt werden. .
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Die Gefährdung der Salzwiesen

Die Salzwiese ist ein sehr empfindliches Ökosystem. Zwei Drittel der dort lebenden Käferarten sind monophag. Nimmt die Besiedlung der Salzwiese durch
naturbelassene Salzwiese (2)
die entsprechenden Pflanzen ab, sinkt der Anteil der monophagen Insekten proportional.
Salzwiesen werden als Weidenfläche für Schafe genutzt. Dies verhindert jedoch die natürliche Sukzession der Salzwiesenflora und damit auch –fauna. in den beweideten Gebieten können sich selten andere Pflanzen als Puccinellia maritima und Festuca rubra behaupten. Zudem verhindert der Verbiß der Pflanzen nur allzu oft die Ausbildung von Blüten und damit die generative Vermehrung der betroffenen Pflanzen.

beweidete Salzwiese (2)
Letzendlich werden Keimlinge und Jungpflanzen von den Schafen besonders bevorzugt, was eine vegetative Vermehrung ebenfalls extrem erschwert.
Die endemische Wirbellosenfauna wird von der Beweidung sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, da z.B. viele Wirtspflanzen von den beweideten Flächen verschwinden. Andererseits kann e auch zu einer starken Vermehrung bestimmter Arten kommen.
So geht z.B. die Präsenz des Flohkrebses Orchestia gammarellus durch die verdichtung des Bodens und einen Mangel an pflanzlichen Abfällen stark zurück. Die Ausdünnung der Vegetation bei einer gleichbleibend hohen Lichteinstrahlung führt jedoch im Gegenzug zu einer stärkeren Besiedlung des Bodens durch Algen. Diese wiederum sind eine Nahrungsquelle der Mückenart Symplecta stictica, deren Besiedlungsdichte infolge des Nahrungsangebotes steigt 16.
Um der endemischen Fauna ein Refugium zur Verfügung zu stellen, sollte stets nur ein Teil der Salzwiesen beweidet werden, während der Rest der Fläche naturbelassen bleibt. Praktiziert wird dies bei Salzwiesen der Zone 1, in der fast jede Nutzung der Fläche untersagt ist. Beobachtungen ergaben, daß sich schon kurze Zeit nachdem die Beweidung eingestellt wurde die typische Salzwiesenflora einstellte.

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Quellen (Zugriff 03/2005)
Künnemann, Thorsten-D.; „Überleben zwischen Land und Meer – Salzwiesen- “, Hrsg.: Isensee, 1997
http://www.faunistik.net/DETINVERT/PHYSIOLOGY/ATMUNG/plastron.html
http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C824695_L20.pdf
Segebade, A.; „Lebensraum Salzwiese“; Hrsg. Nationalpark Service gGmbH und NABU, Faltblatt
Fotos & Abbildungen
(1) Sönke von den Berg
(2) Christiane von den Berg (geb. Pech)
(3) http://biodidac.bio.uottawa.ca
(4) nach Künnemann, Thorsten-D.; „Überleben zwischen Land und Meer – Salzwiesen- “, Hrsg.: Isensee, 1997; leicht verändert

 

Christiane von den Berg (geb. Pech), März 2005


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