Solanum dulcamara oder der Bittersüße Nachtschatten
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Reich Plantae
Solanum dulcamara (2)
Abteilung Spermatophyta (bedecktsamige Pflanzen)
Klasse Dicotyledonae (Zweikeimblättrige)
Ordnung Scrophulariales
Familie Solanaceae
Gattung Solanales
Maße 30 - 200 cm
Vorkommen in ganz Europa: feuchte Gebüsche, Auwälder, Hecken; bis in mittlere Gebirgslagen (ca. 1700m)
Besonderheiten  Giftpflanze - enthält Saponine und Solanin, findet auch als Arzneipflanze Verwendung
Schutzstatus nicht geschützt

 

Einleitung - Die Solanaceae im Allgemeinen...

Der bittersüße Nachtschatten gehört zur Familie der Solanaceae, der sich auch Nutzpflanzen wie Kartoffel, Paprika und Tomate zuordnen lassen. Die Solanaceae sind meist Kräuter, man findet aber auch Sträucher und, seltener, kleine Bäume. Die Form der Blätter ist bei dieser Familie sehr vielgestaltig, jedoch sind sie immer wechselständig angeordnet. Die Blüten sind zwittrig und meist in Wickeln angeordnet, jedoch kommen auch einzeln stehende und radiär angeordnete Blüten vor. Charakteristisch für die Vertreter der Solanaceae sind die je fünf Kelch-, Blütenkron- und Staubblätter. Bei zygomorphen Blüten können jedoch auch weniger Staubblätter auftreten.
Kelch und Blütenblätter (meist nur an der Basis) wiederum sind bei allen Vertretern dieser Familie miteinander verwachsen. Häufig sind die Staubblätter mit den Kronblättern verwachsen. In vielen Fällen, besonders, wenn die Blüten stieltellerförmig (mit enger, langer Röhre und flach ausgebreitetem Saum) sind, bleiben die Staubbeutel zusammengeneigt, sind jedoch dabei nicht miteinander verklebt.
Der Fruchtknoten ist bei Pflanzen dieser Familie oberständig und meist zweifächerig (sing. Fächer=Fach; erklärendes Bild folgt im weiteren Verlauf). Seine Scheidewand ist schräg zur Mittelline gestellt. Oberflächlich betrachtet ist die Blüte der Solanaceae radiärsymmetrisch. Durch die Schrägstellung der Scheidewand ist sie jedoch, genau genommen, asymmetrisch.
Bei den Solanaceae findet man sowohl Beeren- als auch Kapselfrüchte.

Familientypisch sind die hochgiftigen Tropan-Alkaloide. Diese gehören zu der Gruppe der Delirantia (im Sinne der Definition nach L. Levin). Charakteristisch für diese Gruppe sind ihre stark ausgeprägten Nebenwirkungen: diese reichen von Schwindelgefühl und Taumeln bis hin zu zeitweiliger Blindheit über Raserei bis hin zum Tod durch Atemlähmung. Hinzu kommen halluzigene Wirkungen. Dies können leichte Wahrnehmungsverzerrungen sein, aber auch ein totaler Realitätsverlust, der von starken Halluzinationen begleitet wird. So kann es vorkommen, daß der Konsument der Tropan-Alkaloide sich angeregt mit nicht existierenden Gästen unterhält und nicht vorhandene Gegenstände sieht. Hinzu kommt ein starker Rausch-Zustand.

Tropan-Alkaloid-haltige Pflanzen werden vermutlich schon seit der Antike genutzt. Über die Zeit haben sich verschiedene Anwendungen und Kulte entwickelt, deren Gegenstand diese Pflanzen und ihre rauschentfaltende Wirkung ist.

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...und der Bittersüße Nachtschatten im Besonderen

Habitus von S. dulcamara (1)Der Gattungsname Solanum ist ist vom lateinischen Wort "solumen" abgeleitet welches mit "Trost" oder "Beruhigung" übersetzt werden kann. Die Namenswahl rührt von der Verwendung des Nachtschattens als Schmerzmittel her. Der deutsche Name wird von "Nachtschaden" abgeleitet, einem Wort, das im Mittelalter soviel wie "Alptraum" bedeutete.

Solanum dulcamara ist eine strauchartige, ausdauernde Pflanze, welche rankend nach oben wächst. Sie gehört zu den Spreizklimmern: sie durchwächst vorhandenes Geäst und verhindert das Zurückrutschen der Ranken durch die Ausbildung von Seitentrieben.
Die Blüten des Bittersüßen Nachtschattens sind auffällig gefärbt, mit lila Kronblättern und gelbem Staubblattkegel. Die Laubblätter sind langgezogen eiförmig, spitz zulaufend und weisen Einbuchtungen an den Rändern auf. Die Beeren reifen bereits während der Blütezeit, die sich von Juni bis August erstreckt. So kann man an ein- und derselben Pflanze Blüten, unreife grüne und reife rote Beeren zur gleichen Zeit finden. Je reifer die Beeren werden, desto weniger Alkaloide enthält die Frucht, die reifen Früchte sind nahrzu alkaloid-frei. Dennoch gilt eine Dosis von zehn Beeren als letal.
Der Geschmack der Beeren ist, laut Literatur, anfänglich bitter, später süß.

Blüte und Knospe(1)
Staubblatt-Anordnung (1)
Zweichfächeriger Fruchtknoten (1) Samen (1) Samen-Querschnitt (1) Der Alkaloidgehalt variiert innerhalb der Pflanze: während das Kraut bis zu 3% Steroidalkaloide enthält, herrscht in den Wurzeln ein Gehalt von ca. 1,4% und in den unreifen Früchten bis zu 0,6% vor.

 

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Vergiftungserscheinungen, Gegenmaßnahmen, medizinische Anwendung

Vergiftungserscheinungen
Die Inhaltsstoffe des Bittersüßen Nachtschattens wirken bei Hautkontakt reizend. Sie haben bei Konsumierung zunächst eine erregende, später jedoch eine lähmende Wirkung auf das zentrale Nervensystem.
Beim Verzehr von Pflanzenteilen ist zunächst ein Brennen und Kratzen im Mund zu verzeichnen. Danach kommt es zu einer Schwellung und Rötung der Schleimhäute. Auch Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und schmerzhafte Durchfälle treten auf. Weitere Zeichen für eine Vergiftung sind eine hochrote Geschichtsfarbe, Schwindelgefühl, Platzangst sowie alle möglichen weiteren Angstzustände. Bewusstseinsstörungen werden begleitet von Atemnot, Herzrasen, geweiteten Pupillen, abgesenkter Körpertemperatur und Reizungen, möglicherweise sogar Entzündungen der Nieren.
Auftretende Lähmungen können auch die Atemmuskulatur betreffen. Dies führt zu Bewusstlosigkeit. Der Tod durch komplette Atemlähmung erfolgt dann im Koma.
Es sind mehrere schwere und tödliche Vergiftungsfälle bekannt. Diese traten meist bei Kindern auf.

Gegenmaßnahmen
Bei Aufnahme mehrerer Früchte sollte sofort Erbrechen ausgelöst werden, danach ist so schnell wie möglich ein Arzt oder das Krankenhaus aufzusuchen.
Als erste Hilfe kann medizinische Kohle gegeben werden.
Ein spezifisches Gegengift ist Physostigminsalicylat, dies wird aber selten vonnöten sein. Die Dosis beträgt 0,5 mg bei Kindern und 2 mg bei Erwachsenen. Die Gabe darf jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Auch Valium kann helfen.
Evtl. auftretenden Krämpfen kann man mit Benzodiazepinen oder Barbituraten effektiv entgegenwirken.
Treten Störungen der Atmung auf, ist diese zu unterstützen.

Medizinische Anwendung
Atropin, Hyoscyamin und Scopolamin, heben die Wirkung des körpereigenen Botenstoffs Acetylcholin auf (Parasympatholytika) und wirken zusätzlich auf das Zentralnervensystem. Dabei unterscheiden sich allerdings die Wirkungen der einzelnen Alkaloide und ihre therapeutische Breite, so werden heutzutage überwiegend die Einzelsubstanzen eingesetzt:
Scopolamin wird als Mittel gegen Übelkeit genutzt, Atropin (Tollkirsche) findet verwendung zur Erweiterung der Pupillen, als Gegengift bei Vergiftungen mit Insektiziden und zur Narkosevorbereitung.
In der Medizin finden adstringierenden (zusammenziehenden), antimikrobiellen Eigenschaften von Solanum dulcamara Anwendung als Mittel gegen chronische Ekzeme. Außerdem werden sie bei rheumatischen Beschwerden der Muskeln und Gelenke, sowie gegen Blasen-Nieren Entzündungen eingesetzt.
Wie immer gilt: Die Dosis macht das Gift.
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Geschichte und Geschichten um die Anwendung der Tropan-Alkaloide
Die wichtigesten Tropan-Alkaloide sind die Stoffe Hyoscyamin und Scopolamin.
Tropan-Alkaloide sind gefährliche, suchterzeugende Rauschgifte. In vielen Ländern Asiens und Südamerikas trifft man noch heute Menschen, die vom Konsum dieser Stoffe bleibende Schäden davongetragen haben. Sie irren planlos durch die Gegend und werden als "lebende Leichname" bezeichnet. Oft geschah der Einsatz dieser Wirkstoffe aus kriminellen Motiven heraus. Betäubung, anschließende Verschleppung und Vergewaltigung sind im Zusammenhang mit den Drogen der Nachtschattengewächse leider keine Seltenheit.

Doch auch positive Rituale sind an die Verwendung der Solanaceae geknüpft. So rauchen die Anhänger des indischen Gottes Shiva, die indischen Bettelmönche, eine Mischung aus Marhiuana (Cannabis sativa) und Stechapfel-Blättern (Datura metel/ Datura stramonium).
 
Im Mittelalter spielten viele Nachtschattengewächse eine wesentliche Rolle als Bestandteil von diversen Hexengebräuen und -salben. Hierzu zählten Bilsenkraut, Tollkirsche und die legendäre, mittlerweile sehr seltene, Alraune.
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Quellen (Zugriff: 01/2005)
Sitte, Weiler, Kadereit, Bresinsky, Körner "Strasburger - Lehrbuch der Botanik",35. Auflage, Spektrum-Verlag, 2002
Schmeil, Fitschen "Flora von Deutschland und angrenzender Länder", 89. Auflage, Quelle & Meyer, 2000
http://www.der-gruene-faden.de/text/text2604.html
http://www.biologie.uni-ulm.de/lehre/bestueb/solanace.htm
http://www.amleto.de/pflanzen/fachbegr/29_blue08.htm
http://www.catbull.com/alamut/Lexikon/Indexe/Tropanalkaloide.htm
http://www.natur-lexikon.com
http://www.giftpflanzen.com/solanum_dulcamara.html
http://www.tee.org/BHSD/bitters.html
http://heilpflanzen.wetteronline.de/tollkirsche/tollkirsche_anwendung.shtml
Fotos & Abbildungen
(1) www.BioLib.de
(2) Christiane von den Berg (geb. Pech)
(3) Wikipedia.de

Christiane von den Berg (geb. Pech), Januar 2005


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