Posttranskriptionales Gene Silencing
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Ein Abwehrmechanismus von Pflanzen gegenüber phytopathogenen Viren
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Themen:

Chlorosen bei Chenopodium quinoa nach
Infektion mit TMV
Pflanzenviren
Abwehr von Pathogenen
Was ist Gene Silencing
Ablauf von Gene Silencing
Ausbreitung von Gene Silencing
Virus - Strategien gegen GS
Nachwort und Ausblick

 

Pflanzenviren

Allgemeines
Insgesamt gibt es etwa 500 Viren, die Pflanzen befallen können. Fast jede Pflanze kann von mindestens einem Virus infiziert werden, häufig aber auch von verschiedenen. 90% aller Viren, die Pflanzen befallen, besitzen einzelsträngige RNA (ssRNA). Hierzu gehören zum Beispiel das Tabakmosaik - Virus (TMV), das Kartoffel - Virus Y (PVY) oder das Gurkenmosaik - Virus (CMV).

Symptomatik
Viren können bei Pflanzen zu unterschiedlichen Krankheitssymptomen führen. TMV verursacht z.B. in Abhängigkeit von der Wirtzelle Mosaike, Fleckungen, Nekrosen, gekräuselte oder gelbgefärbte Blätter. PVY kann zu adrigen Chlorosen oder punktförmigen Nekrosen der Blätter führen, CMV ebenfalls zu Nekrosen und Chlorosen, letztere auch im Bereich der Früchte. Der Befall einer Pflanze durch Viren führt also häufig zu einer Verringerung der photosynthetisch aktiven Blattoberfläche, was verringertes Wachstum und Fruchtbildung (virale Infektionen sind daher auch wirtschaftlich problematisch) zur Folge haben kann. Bei starkem Befall können die Pflanzen auch eingehen.
Bild rechts: Lokale Necrosen nach Infektion mit PVY
Übertragung
Die Übertragung von Viren auf die Pflanze kann auf unterschiedlichem Wege geschehen wie zum Beispiel durch Pflanzensaft - saugende oder Blätter - fressende Insekten (z.B. Blattläuse, Gurkenkäfer), Menschen (mechanisch, z.B. wenn Blätter infizierter und gesunder Pflanzen nacheinander berührt werden) oder bereits infizierte Samen.
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Abwehr von Pathogenen durch die Pflanze?

Natürlich haben Pflanzen kein mit Säugetieren vergleichbares Immunsystem, sie müssen sich aber genauso gegen Pathogene wehren können. Dies kann auf unterschiedlichem Wege geschehen; die Infektion von Pflanzen mit Pilzen oder Bakterien führt zum Beispiel zu einer verstärkten Expression bestimmter PR - Proteine (PR = pathogen related) mit u.a. Glucanase-, Chitinase- oder Proteinase - Funktion. Diese Enzyme können strukturelle Polysaccharide von pilzlichen oder bakteriellen Zellwänden degradieren.
Andere Wege der Pathogenabwehr sind die Bildung von ROS ( = reactive oxygen species) wie Superoxid, Wasserstoffperoxid oder (sehr reaktive) Hydroxidradikale. Diese sind entweder direkt toxisch für die Pathogene, können aber auch die Zellwandstärke der Pflanzen positiv beeinflussen, indem sie zu einer verstärkten Vernetzung zwischen Glycoproteinen und Polysacchariden führen und damit eine Infektion durch Pathogene erschweren.
Aber auch ständig produzierte Sekundärmetabolite können antimikrobielle Wirkung haben, dazu gehören die Gruppe der Saponine und die der Glukosinolate. Diese sind entweder direkt in aktiver Form in der Zelle vorhanden, oder werden nach Beschädigung von Gewebe erst freigesetzt.

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Was ist nun Gene Silencing?

Gene Silencing (GS) ist der (sekundär spezifische) Abbau doppelsträngiger RNA (dsRNA) durch bestimmte Enzyme. GS ist natürlich nicht nur bei Pflanzen, sondern auch Säugetieren zu finden.
Entscheidend ist, dass dsRNA unter natürlichen Bedingungen nicht in der Zelle vorkommt und daher erkannt und abgebaut wird. Da die meisten pflanzlichen Viren nun ssRNA - Viren sind, benötigen sie für die Replikation eine eigene RdRP (RNA-dependent RNA-Polymerase), die ein dsRNA-Zwischenstadium erzeugt.
Mit der Erkennung und Degradierung der dsRNA wird die Erbinformation der Viren also inaktiviert, und die Schädigung des Wirts (hier: der Pflanze) vermieden.


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Ablauf von Gene Silencing

1. Schritt: Erkennung und Abbau von dsRNA
Wie bereits erwähnt, kommt dsRNA unter natürlichen Bedingungen nicht in der Zelle vor. Entsteht also nach Infektion und während der Replikation von ssRNA - Viren dsRNA, so wird diese durch bestimmte Enzyme, die "Dicer", erkannt und in 19 - 25 Nukleotid - große doppelsträngige Fragmente zerschnitten. Die Fragmentgröße wird durch das Enzym, das zwei katalytisch aktive Domänen hat, bestimmt; d.h. sie beträgt den Abstand, der sich zwischen den Domänen befindet. Dicer besitzen zusätzlich eine RNA - Bindefunktion und eine Helicase - Domäne.

Die entstehenden RNA - Fragmente werden als siRNA (small interfering [= störend] RNA) bezeichnet.

2. Schritt: Bildung von RISC, die spezifisch bestimmte RNA - Sequenzen erkennen

Die entstandene siRNA bildet zusammen mit bestimmten Proteinen den sogenannten RISC, also den RNA - induzierten silencing complex. Möglicherweise ist an diesem Komplex auch der Dicer beteiligt.

Die siRNA wird hierbei unter ATP - Verbrauch in Einzelstränge getrennt, wodurch der RISC eine Endonuclease - Funktion erhält. Kommt es zu einer Infektion mit demselben Virus, der zur Bildung der siRNA geführt hat, so kann der RISC über komplementäre Basenpaarung bereits die ssRNA des Virus erkennen und binden.

Die RNA des Virus wird anschließend mittig in der Erkennungssequenz geschnitten und damit "inaktiviert".

 
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Ausbreitung von GS in der Pflanze

Die spezifische Erkennung viraler RNA kann lokal begrenzt, aber auch systemisch in der Pflanze ausgebreitet werden. Hiermit kann eine "Warnung" des umliegenden Gewebes bei einer Infektion erfolgen.

Diese Warnung muss spezifisch sein. Man geht davon aus, dass es sich beim weitergeleiteten Signal wieder um die siRNA handelt. Diese kann über Plasmodesmen in umliegende Zellen bis hin zu den Leitbüdeln transportiert werden und zur Ausbildung weiterer RISC in diesen Zellen führen. Geschieht die Weiterleitung der siRNA schneller als die Ausbreitung des Virus, so haben umliegende Zellen bereits funktionstüchtige RISC, die die RNA des Virus spezifisch sehr viel zügiger erkennen können als die Dicer. Die Zellen sind praktisch "immunisiert".
 

Transitivity gewährleistet die Ausbreitung des GS - Signals
Zur Weiterleitung des Signals muss aber eine Amplifizierung der siRNA gewährleistet sein. Dies geschieht über einen Prozess, der Transitivity genannt wird.
Hierbei wird von den RISC ausgegangen, die eine ssRNA des Virus bereits gebunden, aber noch nicht zerschnitten haben. Ähnlich einer PCR (Polymerase - Ketten - Reaktion) dient die Virus - RNA als Template, die einzelsträngige siRNA des RISC als Primer, an dem eine RdRP ansetzt und aus der ssRNA dsRNA bildet. Diese wird aber wieder als "unnatürlich" von den Dicern erkannt und degradiert; der Prozess kann von neuem beginnen.
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Der Virus schlägt zurück: Virus - Strategien gegen GS

Viren sind dem Gene Silencing nicht wehrlos ausgeliefert, sondern haben Mechanismen entwickelt, mit denen sie GS direkt oder indirekt inhibieren können. Die virale Erbinformation muss also nicht zwingend nur für Proteine kodieren, die zum eigenen Erhalt nötig sind, sondern auch für Proteine, die beispielsweise GS unterdrücken, die Ausbreitung von siRNA in der Pflanze verhindern oder die Replikation des Virus verbessern.

  1. Direkte Inhibition: von Dicern, RISC, Ausbreitung der siRNA, Bildung der dsRNA durch Transitivity...
  2. Indirekte Inhibition: Unterdrückung von positiv - Effektoren des GS bzw. Aktivierung von endogenen Unterdrückern von GS auf transkriptionaler Ebene
    Als Beispiel für eine Inhibition könnte man hier das Protein P19 von CymRSV (Cymbrium Ringspot Virus) nennen; dieses kann 21 - Nukleotid große siRNA binden und damit die Bildung von RISC verhindern.
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Zu guter Letzt... Nachwort und Ausblick

Gene Silencing ist ein Prozess, der nicht durch die Pflanze ausgelöst wird, sondern durch dsRNA.
Auch wenn Pflanzen über kein Immunsystem verfügen, so kann man auf Ähnlichkeiten zu einem Antigen - Antikörper - System hinweisen: Das "Antigen" ist hier die dsRNA, der "Antikörper" der RISC.
Allerdings ist GS ein Prozess, der heute noch nicht vollständig geklärt ist, zum Beispiel in Bezug auf die Ausbreitung der siRNA in der Pflanze.
Interessant ist GS vor allem in Bezug auf die Herstellung transgener Pflanzen, die ständig siRNA mit Sequenzhomologien zu pathogenen Viren produzieren. Hiermit könnte eine dauerhafte Resistenz der Pflanzen gegenüber bestimmten Viren erzeugt werden.

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Quellen

RNA silencing: no mercy for viruses? - Charles-Henri Lecellier, Olivier Voinnet; Institut de Biologie Moléculaire des Plantes du CNRS, Strasbourg, France. - Immunological Reviews, 0105-2896, Seite 285-303

Gene silencing as an adaptive defence against viruses - Peter M. Waterhouse, Ming-Bo Wang & Tony Lough; CSIRO Plant Industry, Canberra, ACT 2601, Australia - NATURE, VOL 411 , 14 JUNE 2001, Seite 834-842

Chapter 21 of: Biochemistry and Molecular Biology of the Plants; B. Buchanan, W. Gruissem, R. Jones, Eds. Ó 2000, American Society of Plant Physiologists
www.i-s-b.org/wissen/broschuere/rnai.htm

 

Silvia Schmoock, April 2005


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