Teil 1/7
Gomphus vulgatissimus oder die Gemeine Keiljungfer
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Großlibellen: Teil 1 (Gomphus vulgatissimus) - Teil 3 (Libellula quadrimaculata) - Teil 4 (Sympetrum striolatum) - Teil 6 (Aeshna mixta)
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Kleinlibellen: Teil 2 (Ischnura elegans & Pyrrhosoma nymphula) - Teil 5 (Calopteryx spec.)
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Sonstiges: Teil 7 (Libellen fotografieren)
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Reich Animalia (Tiere)
Stamm Arthopoda (Gliederfüßer)
Klasse Insecta (Insekten)
Ordnung Odonata (Libellen)
Unterordnung Anisoptera (Großlibellen)
Familie Gomphidae (Keiljungfern)
Maße Abdomenlänge: 33-37 mm - Exuvie: 28-31 mm
Vorkommen Mittel- und Nordeuropa
Schutzstatus Rote Liste: 2 - Stark gefährdet für Deutschland
1 - Vom Aussterben bedroht für Niedersachsen

 

Allgemeines über Libellen...

Die Anisoptera (Großlibellen) sind eine von drei Unterordnungen der Libellen. In unseren Gefilden kommen zudem die Zygoptera (Kleinlibellen) vor. Die dritte Unterordnung der Odonata, die Anisozygoptera haben keinen mir bekannten deutschen Namen, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass diese Unterordnung aus nur zwei Arten besteht, die im Himalaya, bzw. in Japan vorkommt und deswegen hier nicht behandelt werden soll.
Großlibellen lassen sich von den Kleinlibellen durch einige äußerliche Merkmale recht schnell und eindeutig unterscheiden:

  • Haltung der Flügel: In Ruhe werden die Flügel der Kleinlibellen über dem Hinterleib in senkrechter Position zusammengefaltet, so dass die Hinterkante der Flügel nach oben, die Vorderkante nach unten zeigt. Großlibellen lassen ihre Flügel in Flugstellung. Das Exemplar von Gomphus vulgatissimus, welches hier abgebildet wird, hat nun jedoch eine gänzlich untypische Flügelstellung, wie sie normalerweise den Kleinlibellen zugerechnet werden müßte. Ein Erklärung wäre, dass es sich dabei um ein frisch geschlüpftes Exemplar handelt. Für Korrekturen oder andere Hypothesen bin ich stets offen (-> ).
  • Form der Flügel: Während bei den Kleinlibellen Vorder- und Hinterflügel sehr ähnlich aussehen, unterscheidet sich deren Form bei den Großlibellen deutlich voneinander: der Hinterflügel ist bei ihnen nach hinten ausgebuchtet (siehe auch unten links). Diesem Umstand wird mit Namen der Unterordnung Rechnung getragen: Aniso vom griechischen "anisos" = ungleich und ptera vom ebenfalls griechischen "ptero" = Flügel.
  • Position der Augen: Betrachtet man den Libellenkopf von oben, so berühren sich die Augen bei den Großlibellen in der Mitte (bei der Familie der Cordulegasteridae berühren sich die Augen nur in einem Punkt). Bei Kleinlibellen liegen diese weit auseinander. Auch dies trifft bei der abgebildeten Art nicht zu: die Familie der Gomphidae bildet die einzige Ausnahme. Das hinreichende Kriterium ist hierbei der Abstand der Augen verglichen mit dem der Fühler. Liegen die Augen näher zusammen als die Fühler, berühren sich jedoch nicht, so handelt es sich um eine Keiljungfer (siehe unten rechts).

Einige Bilder von Großlibellen sind auf dem Anisoptera-Poster enthalten, Kleinlibellen finden sich auf dem Zygoptera-Poster, siehe hier.



Animation oben: Form der Flügel bei Großlibellen (Quelle: a)
Animation oben: Position der Augen und Fühler im Vergleich (Quelle: a)
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...und über Gomphus vulgatissimus

Einst galt die Gemeine Keiljungfer als eine sehr häufige Art, wie auch der Name schon vermuten läßt. In den 80er Jahren war der Bestand jedoch so stark durch Zerstörung der Habitate und deren Verschmutzung zusammengeschrumpft, dass sie vielerorts als ausgestorben galt. Letzte Nachweise wurden in Berlin, Schleswig-Holstein, am Niederrhein und in der Nähe des Bodensees bestätigt. In den letzten zwanzig Jahren hat sich der Bestand glücklicherweise zunehmend wieder erholt, vor allem in den neuen Bundesländern sind recht stabile Vorkommen zu verzeichnen.
Von den Flußjungfern tritt die Gemeine Keiljungfer als erste auf. Von Anfang Mai bis Ende Juni sind die Tiere zu beobachten, wobei sie seltener in Gewässernähe zu finden sind.

Lateralansicht der Gemeinen Keiljungfer (Quelle: a)
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Habitus
Larve
Die Larve ist graubraun und stark behaart, der Hinterleib dunkeler gezeichnet. Häufig ist der Körper mit anhaftendem Schlamm und Pflanzenpartikeln bedeckt. Der gesamte Körper ist flach und breit angelegt. Die Ansätze der Flügel (Flügelscheiden) liegen parallel auf dem Hinterleib.

Imago
Der Körper von Gomphus vulgatissimus ist schlank und recht gedrungen. Der Körper ist anfangs schwarz-gelb gefärbt, später schwarz-grünlich. Der Legeapparat des Weibchens ist reduziert. Das Männchen hat kleine Ausbuchtungen am zweiten Segement. Die Augen sind grau (ventral mit leichtem Stich ins grün, dorsal ins braune). Der Hinterleib bei Weibchen und jungen Männchen ist deutlich verbreitert. Die Beine sind einheitlich schwarz.
Bild rechts: Larve von Gomphus vulgatissimus (Quelle: b)
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Verhalten
Gomphus vulgatissimus ist ein schneller und gewandter Flieger. Dies ist nötig für die Lebensweise, da sich das Tier libellentypisch von Insekten ernährt, die sie im Flug fängt. Eine besondere Bedeutung kommen dabei den großen Komplexaugen, dem sogenannten Labium (die Fangmaske) und den kräftigen Flügeln zu (siehe Animation rechts). Die Muskeln der Libellen weisen nebenbei eine myogene Erregung auf, bei der ein einzelner Nervenimpuls für mehrere Kontraktionen sorgt.
Nicht nur die Beute, auch der Paarungspartner kann im Flug ergriffen werden. Die Paarung selbst findet im Sitzen statt und dauert bis zu zehn Minuten. Nach der Paarung quellen bis zu 500 Eier zu einem erbsengroßen Paket aus dem Hinterleib des Weibchens. Diese legt es während des Fluges an der Wasseroberfläche ab. Die Eier sinken sofort auf den Grund des Gewässers.

Skizze (oben): Schnittebene (in rot) durch das Tier, welches die Animation darstellt
Animation (unten): Funktionsweise der direkten Flugmuskulatur zur Bewegung der mächtigen Flügel (Quelle: a)
hellrot: inaktive (passiv gedehnte) Muskeln  -  dunkelrot: aktive Muskeln  -  blau: Flügel  -  grün: Widerlager

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Larvalentwicklung
Sechs Wochen nach der Eiablage schlüpfen die Larven. Sie sind vorwiegend nachtaktive Predatoren, die zunächst von kleinen Krebschen und Insekten leben, später aber auch so mancher Kaulquappe ein jähes Ende bereiten. Tagsüber verkriechen sie sich am Grund. Mit drei bis fünf Jahren dauert die Larvalentwicklung recht lange. Bis zu 14 Häutungen wurden beobachtet.
Die adulten Tiere schlüpfen direkt am Ufer. Die Larven kriechen in den Abendstunden an Land. In den frühen Morgenstunden verankern sie sich im Boden (es liegen jedoch auch Berichte vor, nach denen die Larven in den Vormittagsstunden an Land kriechen und kurz darauf mit dem Schlupf beginnen). Die Sollbruchstelle für das Schlüpfen liegt dorsal. Die Kanäle der Flügel werden mit Hämolymphe gefühlt, wodurch sich die Flügel entfalten. Schon zwei Stunden später ist die "fertige Libelle" flugfähig, zurück bleibt nur die sogenannte Exuvie (Larvenhaut).
Auch wenn der Schlupf recht schnell geht, treten dennoch viele Jungtiere nicht einmal ihren ersten Flug an, da sie zuvor von Vögeln am Ufer regelrecht abgesammelt werden.
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Vielen Dank an Herrn Jürgen Ruddek, den Leiter des Arbeitskreis Libellen Bremen, für den netten Mailkontakt und die Hilfe bei der Artbestimmung.

Quellen
1) Rote Listen
2) http://libelleninfo.de/
3) British Dragonflies
4) Die Libellen (Wolfgang Dreyer) - Gerstenberg Verlag (ISBN 3-8067-2022-3)
Fotos, Skizzen und Animationen
a) Sönke von den Berg - Fundort: Leeseringen bei Nienburg/Weser im Mai 2005
b) "nach Brititsh Dragonflies"

 

Sönke von den Berg, Juni 2005


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