Teil 4/4
Plantago maritima oder der Meerstrandwegerich
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Salzwiesen: Teil 1 (Halophilie) - Teil 2 (Allgemeines) - Teil 3 (Tiere) - Teil 4
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Reich Plantae
Abteilung Spermatophyta
Klasse Dicotyledonae
Ordnung Plantagiales
Familie Plantaginaceae
Maße 15-40 cm
Vorkommen entlang der Nord- und Ostseeküste
Wissenswertes
Don Felix Azara, der spanische Naturforscher des 18. Jahrhunderts, berichtet, daß die Indianer die Wegerich-Arten als „Fußtritte des Bleichgesichts“ bezeichneten, da sie mit den Europäern überall auftauchten.
Schutzstatus nicht geschützt laut Roter Liste
Quelle Bild rechts: (3)

 

Einleitung
Die Salzwiesen stellen hohe Ansprüche an ihre Bewohner. Die sie besiedelnden Pflanzen müssen Überflutungen und hohe Salzgehalte ebenso ertragen können wie hohe mechanische Belastungen, Schwermetalle und Luftmangel. Die Vorstellung des Meerstrandwegerich als Beispielpflanze aus diesem Habitat soll den Salzwiesenzyklus abschließen.
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Die Pflanze...

Der giftige Plantago maritima ist mehrjährig, dikotyl und zeigt die für Wegerichgewächse typischen Merkmale:

- parallelnervige Blätter in grundständiger Rosette,
- blattlose Stengel
- mit endständigen Blütenständen (f), die in Ähren angeordnet sind und deren Staubbeutel heraushängen (e)

Die Besonderheiten im Aussehen von Plantago maritima sind die schmalen, fast grasähnlichen, dickfleischigen Blätter und die im Vergleich längeren Blütenstände.
Diese blühen von Juni bis Oktober, und zwar fortschreitend von unten nach oben und protandrisch: jede Ebene der Ähre blüht zuerst weiblich , dann männlich (e).
Die Blätter sind oberseits leicht gefurcht, unterseits gekielt, oft bogig gekrümmt und schmecken salzig. Plantago maritima hat drei Blattnerven, zwei Seitennerven und die Mittelrippe, die gleichmäßig über die Breite der Blätter verteilt sind. Die angestorbenen Blätter bilden einen schuppigen Besatz an der Stelle, an welcher Wurzel in Sproßgewebe übergeht(a).
Habitus und Besonderheiten von Plantago maritima (1)
Von Habitus her wird der Meerstrandwegerich gern mit dem Meerstranddreizack (Triglochin maritima) verwechselt. Beim vorsichtigen Ausreißen von Plantago maritima-Blättern ragen, im Gegensatz zu diesem, die Seitennerven und die Mittelrippe oft noch über den abgetrennten Stengelrand der Blätter hinaus.

...ihre Verbreitung
Plantago maritima findet man mit ein paar örtlichen Lücken kontinuierlich in Gesellschaften entlang der Nord- und Ostseeküste.
Wie bereits hier erklärt, kann man die Pflanzengesellschaften auf einer Salzwiese gemäß Salzgehalt und Überflutung in verschiedenen Zonen unterteilen (= Zonierung). Grob gesehen findet man hier drei Bereiche:
Vom Meer aus trifft man zuerst auf die Quellerzone, dann die Andelgraszone und später auf die Weidelgraszone. Je weiter man sich vom Meer entfernt, desto weniger werden die Flächen pro Jahr überflutet und desto weniger salzhaltig ist der Lebensraum. Die Andelzone wird zum Beispiel nur noch ca. 200 mal im Jahr überflutet.
Plantago maritima, bei manchen Quellen als Vertreter der Pflanzen der mittleren und oberen Salzwiesen beschrieben, findet sich primär in der Andelgraszone (Puccinellietum maritimae), kann aber vereinzelt auch in der Weidelgraszone (Lolio-Cynosuretum) auftreten.
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Anpassungen an ihren Lebensraum...

Plantago maritima gehört zu den fakultativen Halophyten, was bedeutet, dass diese Art Salzböden besiedeln kann, aber nicht ausschließlich dort auftritt, denn das Optimum der Pflanzenart in Bezug auf den Salzgehalt des Lebensraums liegt eher im Bereich salzarm bis salzfrei. Diese Plantago-Art toleriert Salz also lediglich.

Je nachdem, auf welche Quelle man vertraut, wird Plantago maritima zu den Salzsukkulenten oder zu den Pflanzen, die versalzte Pflanzenteile abwerfen, gezählt.
Salzsukkulente Pflanzen sammeln aktiv Salz in Geweben von Pflanzenteilen wie zum Beispiel den Blättern und verdünnen es mit Wasser, um den Salzgehalt im Plasma normal hoch zu halten. Genauer gesagt wird das Salz in den Vakuolen gespeichert. Die hohe Salzkonzentration in den Vakuolen müsste das Gewebe theoretisch austrocknen, weil dort weniger Salz vorhanden ist und Wasser versucht, dem osmotischen Druck durch Membranen hindurch zu folgen. Einige Pflanzen, darunter laut KÜNNEMANN auch Plantago maritima, arbeitet mit anderen osmotisch wirksamen Stoffen. Plantago maritima arbeiten demnach mit dem „Ausgleichsosmotikum“ Sorbitol, einem Zucker. Die Konzentrationen von Ausgleichsosmotika können deutlich geringere Mengen sein als das auszugleichende Osmotikum, hier Meersalz.
Zusätzlich kann teilweise ein Phänomen, das von der Strand-Aster bekannt ist, auch an Plantago maritima beobachtet werden. Die Strand-Aster nutzt die unteren Stengelblätter als „Salz-Deponie“ und lagert Salz in ihnen ein, bis diese absterben. Während die Einlagerung von Salz voranschreitet, wird diesen Blättern Stickstoff entzogen, was für Halophyten sehr effektives „Recycling“ bedeutet.

Im Blattquerschnitt von Plantago maritima nehmen die Parenchymgewebe viel Platz ein, besonders das Schwammparenchym. Die Vakuolen dieses Schwammparenchyms können sich durch die lockere Anordnung der Zellen recht weit ausdehnen, was ihnen bei der Einlagerung von Salz- und Wasserzugute kommt. Das Schwammparenchym wird zudem durch eine Schicht Markzellen und mindestens eine Schicht Sklerenchymzellen von den Leitbündeln abgeschirmt, was als Schutz vor dem hohen osmotischen Sog der Schwammparenchym-Vakuolen für die Leitbündel konzipiert sein kann. Davon ausgehend ist gut denkbar, dass Plantago maritima salzsukkulent ist. Zudem besitzen sie weder Absalzhaare noch Salzdrüsen.

Plantago maritima ist eine C4-Pflanze. Allgemein leben solche Pflanzen an trockenen und sonnigen Standorten. Ihr Problem ist der Wasserverlust bei Öffnung der Stomata zur Aufnahme von CO2. C4-Pflanzen nutzen deshalb den C4-Dicarbonsäure-Zyklus. Plantago maritima wächst in Salzwiesen, wo sie bei Sonnenschein nicht von höheren Pflanzen geschützt werden kann. Ihr eigentliches Wasserproblem ist aber der eigene hohe Salzgehalt und der ihrer Umgebung. Es gilt also, sich vor Wasserverlust zu schützen u.a. mittels des C4-Dicarbonsäure-Zyklus.

Vergleich C3 - C4-Pflanzen (2)

Um die von Sklerenchymzellen stabilisierten Leitbündel finden sich bei dem Strandwegerich Markzellen. Durch das Einlagern von CO2 als Malat und das spätere Spalten in den Markzellen zur Nutzung im Calvin-Zyklus können Plantago maritima und andere C4-Pflanzen ihre CO2-Aufnahme und somit ihren Wasserverlust steuern. Viele C4-Pflanzen öffnen zum Beispiel ihre Stomata nachts, wenn die Verdunstungsrate gering ist, weil die Sonne nicht scheint.
Zwei weitere Merkmale von Plantago maritima, die typisch für Pflanzen sind, die auf ihren Wasserhaushalt und im Besonderen auf ihre Verdunstungsrate achten müssen, sind die dicke Cutikula und das nadelförmige Aussehen der Blätter. Durch die dicke Cutikula wird die Verdunstung durch die Blattflächen verringert und durch die nadelige Form der Blätter ist die Gesamtoberfläche im Verhältnis zu anderen Pflanzen kleiner zur Masse der Blätter.

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...und ihre Bewohner
Auf sehr vielen Salzwiesen-Pflanzen, wie Festuca rubra, Aster tripolium und anderen, leben Insekten. Betrachtet man den Starndwegerich, können 25-26 dort lebende Insektenarten gezählt werden. Besonders viele phytophage Insekten haben sich auf Salzwiesenpflanzen spezialisiert, oft sogar auf einzelne Pflanzenteile. Sie werden phytophag genannt, weil sie von den Pflanzen leben. Mit 58% werden die Blätter von Plantago maritima am häufigsten genutzt.
Durch die Spezialisierung und bevorzugte Nutzung von den beweidungsempfindlichen Pflanzen der Salzwiesen ist auch das Überleben dieser Insekten sehr gefährdet. Erstens ist ihre Spezialisierung und somit Abhängigkeit von der Pflanzenart, besonders wenn sie monophag sind, zu nennen. Zweitens besteht die Gefahr, auch für die Pflanze, der Überbeweidung und somit ihrer Schädigung.

Einer der phytophagen Insekten auf Plantago maritima ist Mecinus collaris -  der Gallrüsselkäfer .
Phytophage Insekten im Lebensraum Salzwiese müssen Wind, stürmisches und regnerisches Wetter und vor allem Salz ertragen können. Mecinus collaris hat für seine Larven eine Lösung gefunden. Die Larven entwickeln sich in Gallen, also im Stengelinneren, an Stengelabschnitten kurz unter den Blütenständen von Plantago maritima. Auf diese Weise sind die Larven gut vor der Umwelt geschützt. Die Larven werden ab Juni in die Blütenstiele von Plantago maritima gelegt und leben in den daraufhin von den Pflanzen gebildeten Gallen, bis sie ab August als Käfer schlüpfen. Dabei hinterlassen sie ein kleines Loch in der Gallenwand.

Habitus einer Galle von Mecinus collaris bei P. maritima
Querschnitt einer Galle von Mecinus collaris bei P. maritima
Nicht alle Phytophagen, die auf und von Plantago maritima leben, sind Käfer. Auch Schmetterlinge, Zweiflügler und Blattläuse haben diese Pflanze zur Nahrungsquelle und Kinderstube erkoren und besiedeln So ziemnlich alle Pflanzenteile: Blütenstand, Sproß, Blatt, Sprossgrund und Wurzel. Jede Art nimmt dabei ihre ökologische Nische ein, sei es nun, daß sie auf verschiedenen Pflanzenteilen fressen, oder verschiedenen Jahres- und Tageszeiten aktiv sind.
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Quellen

- http://www.bogos.uni-osnabrueck.de/expo/alle/Plantago%20maritima.htm
- Künnemann, Th.-D. und G. Gad. Überleben zwischen Land und Meer – Salzwiesen. Isensee, Oldenburg: 1997.
- Janke, K. und B.P. Kremer. Düne, Strand und Wattenmeer – Tiere und Pflanzen unserer Küsten. Kosmos Natur-Klassiker, Stuttgart: 1999.
- Schmeil, Otto. Flora von Deutschland und angrenzender Länder. Quelle & Meyer, Wiebelsheim: 2000. 539.
- Pflanzenwachstum auf versalzten Böden - Vorkommen. Botanischer Garten Osnabrück: 2000. http://www.bogos.uni-osnabrueck.de/expo/alle/Plantago20%maritima.htm (14.07.2004)
- Brinkmann, J., J. Ihnen und M. Uphoff. Willkommen auf der Webseite des Wattenmeers – Das Wattenmeer – Die Küste (Salzwiesen). http://home.nordwest.net/watt/kueste-3.htm (14.07.2004)
- Sengbusch, P. von. Pflanzen salzhaltiger Standorte (Halophyten). Botanik online – The Internet Hypertextbook. http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d56/65d.htm. (15.08.2004)
- Segebade, A. (NABU). Lebensraum Salzwiese - …und viele kleine Tiere im Verborgenen. NationalparkService gGmbH, Tönning: 2001.
- Schutzstation Wattenmeer - Der Strandwegerich (Plantago maritima) http://www.schutzstation.de/wissen/strandwegerich.html (14.07.2004)
- Schutzstation Wattenmeer - Der Gallrüsselkäfer wattenmeer.de/wissen/gallruesselkaefer.htm. (14.07.2004)

Fotos

1) http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/sturm/flora/high/Sturm11063.html
2) verändert nach http://www.egbeck.de/skripten/bilder/c42.jpg
3) Christiane von den Berg (geb. Pech)

 

Katharina Stuff, Juli 2005


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