Bryozoa oder Moostierchen
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Reich Animalia
Stamm Bryozoa
Klassen (in D)
  • Phylactolaemata (= Lophopoda)
  • Stenolaemata (= Cyclostomata)
  • Gymnolaemata
    • Cyclostomata
    • Ctenostomata (Ordnung)
    • Cheilostomata (Ordnung
Maße Einzeltiere ca. einen mm
Vorkommen größtenteils marin
Besonderheiten Größtenteils in Kolonien lebend (Gegenbeispiel: Monobryozoon)
Schutzstatus nicht geschützt
Ausschnitt des Skelettes einer Kolonie von Electra pilosa im Durchlicht (a)

 

Allgemeines

Bryozoen heißen zu deutsch Moostierchen. Ihren Namen verdanken sie ihrem Aussehen, der an Moosteppiche erinnern kann. Sie leben sessil im Litoral, teilweise mit bestimmten Algen vergesellschaftet, in Kolonien. Die Ernährung findet strudelnd statt. Derzeit gibt es ca. 4500 rezente Arten. Fossil wird die Artenzahl auf ca. 15000 geschätzt. Überwiegend kommen Moostierchen marin vor, nur ca. 50 Arten leben im Brack- oder Süßwasser.
Bryozoen bilden gelatinöse oder chitinhaltige Gehäuse, tw. mit Einlagerungen (Calciumcarbonat, Strontium, Magnesium) und sind fest mit dem Substrat verbunden. Der limitierende Faktor ist der Untergrund, der mehr oder weniger fest sein muß.
Besonders interessant macht sie der große Polymorphismus der einzelnen Individuen in der Kolonie, der die Einzeltiere für bestimmte Aufgaben spezialisiert. Auch die Signaltransduktion zwischen den Einzeltieren in der Kolonie ist ein spannendes Phänomen - berührt man eines der Tiere, ziehen alle ihre Tentakeln ein.

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Sonderformen

Moostierchen kommen auch in recht extremen Lebensräumen vor:

  • auf Eisschollen lebend
  • sich langsam fortbewegend (durch kontraktile Filamente am Hinterende der Einzeltiere durch gleiten auf einem Schleimfilm, 1cm/Tag)
  • Monobryozoon-Arten im Sandlückensystem (Interstitial): nur ein Zooid voll ausdifferenziert (keine Kolonie)
Rechts: Tafel aus Haeckels "Kunstformen der Natur" aus dem 19. Jahrhundert. Schon ihm war die Formenvielfalt der Bryozoen aufgefallen.
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Habitus

Äußere Aufteilung
Funktionell lassen sich Bryozoa in zwei Abschnitte gliedern (Dimerie):

  • Polypid: Der vordere (oder obere) Teil des Körpers, der aus dem Gehäuse herausgestreckt werden kann und der Nahrungsaufnahme und Verteidiung dient (auf dem Bild rechts der Teil des Tieres, der oberhalb der hellblauen Körperhälfte liegt).
  • Cystid: Der hintere (oder untere) Körperteil, der durch das Gehäuse geschützt wird und der Fortpflanzung dient.
 

Bild rechts oben: Anatomie von zwei Zooiden eines schematisierten Anasca - orange: Darm und Lophophor (links eingezogen, rechts ausgestreckt) - Des weiteren Skelett, Muskeln, Funiculi, Poren zur Kommunikation zw. Individuen, Ovarium (links) und Testis (rechts).
Linker Teil mit einer Ovizelle und sich entwickelnder Larve.
© Dr. Claus Nielsen (Universität Copenhagen)

Innere Aufteilung:
Der innere Aufbau läßt sich prinzipiell in drei Abschnitte gliedern (Trimerie):
  • Prosoma: Dieses existiert nur noch bei einigen Gattungen als Epistom (Oberlippe).
  • Mesosoma: Gekennzeichnet von einem Nervenplexus und dem Lophophor mit meist kreisförmig um die Mundöffnung angeordneten Tentakeln.
  • Metasoma: Dieses kann wiederum zweigeteilt werden in den..
    • ...vorderen halsartigen Abschnitt, der aus dem Gehäuse herausgestreckt wird.
    • ...hinteren umfangreichen Bereich, der ein cuticuläres Exoskelett abscheidet.
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Aufbau

Exoskelett
Die gelatinöse Hülle oder Gehäuse (Zooecium) aus Chitin, kann durch Calciumcarbonat ausgehärtet sein.

Einstülpöffnung (Orificium)
Verschiedene Verschlussmechanismen wurden verwirklicht:

  • Sphinktermuskel
  • membranöser Kragen
  • Deckel (Operculum)
Ausstülpen des Polypids
Das Ausstülpen erfolgt durch Erhöhung des hydrostatischen Druckes im Coelom durch:
  • Ring- und Längsmuskeln, die den Hautmuskelschlauch des weichen Gehäuses zusammenziehen (Phylactolaemata)
  • Hereinziehen der unverkalkt gebliebenen Ventralwand durch Muskeln (Cheilostomata ohne Ascus)
  • den Einstrom von Wasser in einen Ascus, der von Transversalmuskeln vergrößert wird

Filtration
Durch die Cilien an den Tentakeln entsteht ein Sog, der die Nahrungspartikel in Richtung der Mundöffnung strudelt.
Teilweise wird die Nahrung sehr selektiv aufgenommen. Mehrere Einzelindividuen einer Kolonie wenden eine Gruppenfiltration an, bei der das Wasser zentral in der Gruppe angesogen und am Rand wieder abgegeben wird.

Darmtrakt
Der U-förmige Darm beginnt mit einem Pharynx, welcher in einen Blindsack (Magen, bei manchen Arten Kaumagen mit Cuticularplatten) führt. Der Enddarm verläuft parallel zum Pharynx, der After liegt außerhalb vom Lophophor.

Verdauung
Die Verdauung verläuft Extracellulär, Cilien versetzten den Nahrungsbrei in Rotation und transportieren ihn als länglichen Balken in den Darm, von wo er aus in Schüben zum After weitertransportiert wird.

Gasaustausch
Der Gasaustausch vollzieht sich an der Körperoberfläche, v.a. an den Tentakeln. Bei verkalktem Gehäuse findet der Gasaustausch über Pseudoporen und über den Ascus statt.

Exkretion
Da Nephridien fehlen, werden Abfallprodukte in einem Exkretspeichergewebe, dem „Braunen Körper“ (da er sich mit der Zeit braun verfärbt) gespeichert. Dieser kann dann zusammen mit dem Polypid abgestoßen werden, das Cystid regeneriert daraufhin Darmtrakt und Polypid, ein Cyklus, der mehrere Male im Leben eines Zooids ablaufen kann.
Bild rechts oben: Anatomie von zwei schematischen Zooiden mit Cyclostom, Darm und Lophophor in orange (oben eingezogen = links, unten=rechts ausgefahren). Des weiteren Skelett, Muskeln, Poren zur Kommunikation und Vestibuli.
© Dr. Claus Nielsen (Universität Copenhagen)

Fortpflanzung
Nahezu alle Bryozoen sind zwittrig, innerhalb einer Kolonie können einzelne Zooide nur einem Geschlecht angehören. Die weibl. Keimzellen liegen am Coelothel der inneren Körperwand. Häufig kommt es zu Protandrie. Die Eier verlassen den Körper durch einen Coelomporus an einem röhrenförmigen Fortsatz an der Lophphorbasis (Intertentacularorgan). Spermatocoen gelangen durch Tentakelporen in das Wasser und werden am nächsten Tier durch die Tentakelcilien geleitet zu dessen Intertentacularorgan.

Entwicklung
Die kleinen Eier sind dotterarm und gelangen direkt ins freie Wasser. Brutpflege ist häufig:

  • Entwicklung in wenigen spezialisierten Zooiden (Gonozooide), die dafür Verdauungstrakt und Tentakeln reduziert haben. Der Embryo zerfällt in sekundäre und diese in tertiäre Embryonen (Polyembryonie).
  • Häufig werden äußere helmförmige Brutkammern (Ooecium, Ovicelle) ausgebildet.
  • Embryonen werden über nabelschnurähnliche Verbindungen zum Muttertier versorgt.

Onotogenese
Nach meist totaler äqualer Furchung bildet sich über ein Coeloblastulastadium eine Wimperlarve. Ist die Larve planktotroph, kann diese über Monate im freien Wasser leben. Larven brutpflegender Arten haben oft einen zurückgebildeten Darm und nur wenige Stunden Larvalzeit.
Alle Larven haben einen Wimpernring (Corona) und gliedern sich in Epispähre mit apikaler Scheitelplatte und Hyposphäre mit Haftorgan.
Am Ende des Larvalstadiums kommt es zu einer tiefgreifenden Metamorphose, bei der alle larvalen Strukturen histolysiert und die Adultstrukturen aufgebaut werden. Darmtrakt und Polypid enstehen aus dem Cystid.

Koloniebildung
Das erste Zooid (Ancestrula) bildet durch Knospung weitere Zooide, welche sich nicht voneinander lösen, jedes Zooid besitzt dabei einen eigenen Darm (im Ggs. zu den Cnidaria). Es gibt jedoch ein verbindendes Transportsystem durch Porenöffnungen (Rosenttenplatten).
Bei manchen Arten enstehen Heterozooide mit Spezialisierungen auf bestimmte Funktionen:

  • Vibracularien à Nahrungszufuhr, Reinigung
  • Avicularien à Entfernung von Partikeln oder anderen Hartsubstratbewohnern auf der Kolonie
  • Kenozooide à Anheftung der Kolonie auf dem Substrat

Dauerstadien
Die asexuellen Dauerstadien zur Überwinterung und Verbreitung entstehen im Funiculus. Sie sind meist von einer Chitinschicht umgeben und können mit Hakenfortsätzen und/oder ringförmigen Auftriebskörpern versehen sein.

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Artenliste

Auf Helgoland vorkommende Bryozoen nach J. Harms, Helgoländer Meeresuntersuchungen, Vol. 47, No. 1, 1993

( http://www.awi-bremerhaven.de/BAH/GastForschung/arten-reiners.htm#artenliste46)

Cyclostomata Ctenostomata Cheilostomata, Anasca Cheilostomata, Ascophora
  • Crisia aculeata (Hassal, 1841)
  • Crisia denticulata (Lamark, 1816)
  • Crisia eburnea (Linnaeus, 1758)
  • Crisidia cornuta (Linnaeus, 1758)
  • Disporella hispida (Fleming, 1828)
  • Plagioecia sarniensis (Norman, 1864)
  • Tubulipora liliacea (Pallas, 1766)
  • Tubulipora sp.

 

  • Alcyonidium diaphanum (Hudson, 1762)
  • Alcyonidium gelatinosum (Linnaeus, 1761)
  • [Alcyonidium polyoum (Hassal, 1841)]
  • Alcyonidium mamillatum Alder, 1857
  • Alcyonidium mytili Dalyell, 1848
  • Bowerbankia gracilis Leidy, 1855
  • Bowerbankia imbricata (Adams, 1798)
  • Bowerbankia pustulosa (Ellis & Solander, 1786)
  • Bowerbankia sp.
  • Flustrellidra hispida (Fabricius, 1780)
  • Nolella sp.
  • Walkeria uva (Linnaeus, 1758)
  • Aetea truncata (Landsborough, 1852)
  • Bicellariella ciliata (Linnaeus, 1758)
  • Bugula flabellata (Thompson in Gray, 1848)
  • Bugula plumosa (Pallas, 1766)
  • Bugula stolonifera Ryland, 1960
  • Bugula turbinata Alder, 1857
  • Callopora aurita (Hincks, 1877)
  • Callopora dumerilii (Audouin, 1826)
  • Callopora lineata (Linnaeus, 1767)
  • Conopeum reticulum (Linnaeus, 1767)
  • Elektra pilosa (Linnaeus, 1767)
  • Elektra monostachys (Busk, 1854)
  • Flustra foliacea (Linnaeus, 1758)
  • Membranipora membranacea (Linnaeus, 176
  • Membraniporella nitida (Johnston, 1838)
  • Scruparia chelata (Linnaeus, 1758)
  • Scrupocellaria reptans (Linnaeus, 1767)
  • Scrupocellaria scruposa (Linnaeus, 1758)
  • Cellepora pumicosa (Pallas, 1766)
  • Celleporella hyalina (Linnaeus, 1767)
  • Chorizopora brongniartii (Audouin, 1826)
  • Cribrilina punctata (Hassall, 1841)
  • Cryptosula pallasiana (Moll, 1803)
  • Escharella immersa (Fleming, 1828)
  • Escharella variolosa (Johnston, 1838)
  • Escharella sp.
  • Microporella ciliata (Pallas, 1766)
  • Schizomavella linearis (Hassall, 1841)
  • Schizoporella errata (Waters, 1878)
  • Smittina landsborovii (Johnston, 1847)
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Zum Weiterlesen:

Was sind Bryozoen? - Senkenberg-Museum
Quellen
Mein Referat über Bryozoa auf der Helgoland-Exkursion 2003, dazu diverse Textquellen aus Standard-Lehrbüchern.
Fotos
a) Sönke von den Berg

 

Sönke von den Berg, September 2005


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