Pygocentrus nattereri der Rote Piranha
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Ein Erfahrungsbericht
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Pseudonyme: Rooseveltiella nattereri, Serrasalmus nattereri, Serrasalmo piranha
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Reich Animales
Stamm Chordata
Klasse Osteichthyes
Ordnung Characidae
Familie Serrasalmidae
Unterfamilie Serrasalminae
Maße 28-30 cm
Lebenserwartung wild bis 15, im Aquarium bis zu 30 Jahren
Vorkommen Guyana bis zum La Plata Gebiet (Südamerika - Amazonas - Nebenarme)
Schutzstatus nicht geschützt

 

Einleitung
Piranhas gehören zu den Sägesalmler (Serrasalminae), einer Unterfamilie von räuberischen Scheibensalmlern aus der Familie der Salmler (Characidae).

Ihre Körpergestalt ist hoch und seitlich stark zusammengedrückt. Der Bauchrand ist sägeartig gezähnt, daher stammt die Bezeichnung Sägesalmler und nicht wie fälschlicherweise angenommen durch das zahnbewehrte Maul.

Die Kiefer sind mit je einer Reihe starker und scharfer Zähne besetzt. Sägesalmler sind räuberische Fleischfresser, die in grossen Gruppen auch grösseren Säugetieren und selbst dem Menschen gefährlich werden können.

Für die Haltung in kleinen Heimaquarien sind Piranhas nicht geeignet, wohingegen sie in Schau- oder grossen Heimaquarien gut gehalten werden können und hier interessante und faszinierende Beobachtungsmöglichkeiten bieten.

Früher kamen aufgrund diverser Wildfänge und langer Transportwege oftmals stark geschwächte Tiere im Handel an, welche dann apathisch und harmlos waren. Dies zeigte sich vielmals durch Futterverweigerung und Farbverblassungen. Diese Anzeichen zeigen aber auch Piranhas wenn sie in zu kleinen oder falsch eingerichteten Becken gehalten werden.
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Taxonomie
Ordnung Characidae
  • Familie Serrasalmidae
    • Unterfamilie Serrasalminae
Gattung Pristobrycon Gattung Pygocentrus Gattung Pygopristis Gattung Serrasalmus
... antoni
... aureus
... calmoni
... emarginatus
... gibbus
... gymnogenys
... humeralis
... normanii
... scapularis
... serrulatus
... striolatus
... cariba
... nattereri
... piraya
... denticulatus ... altuvei
... brandtii
... compressus
... eigenmanni
... elongatus
... fernandeci
... geryi
... hollandi
... manueli
... nalzeni
... niger
... nigricans
... pingke
... rhombeus
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(Sozial-) Verhalten
Über dieses Thema wird in Büchern und anderen Medien sehr viel geschrieben, wobei nicht alles Geschriebene, Gesagte und Gehörte nachvollziehbar erscheint. Ob es sich dabei um mangelndes Wissen, Übertreibung oder Wahrheit handelt ist ebenso wenig überprüfbar.
Wer kennt sie nicht, die Aussage vom blutrünstigen und angriffslustigen Piranha?
Ich erlebe es selbst wie Freunde, Bekannte oder Besucher reagieren, wenn ich ihnen sage, das es sich um Piranhas handele, die dort im Becken schwimmen. Nach anfänglich ungläubigem Nachfragen sind sie dann doch oftmals erstaunt, das diese Piranhas garnichts von dem monströsen Verhalten zeigen der eigentlich ihrem zweifelhaften Ruf vorrauseilt.
Sicher ist in ihrem natürlichen Habitat immer wieder zu beobachten, das eine grössere Gruppe von Piranhas einen Kadaver oder verletzte (bzw. kranke) Tiere, je nach Grösse des Tieres, in Sekunden oder Minuten regelrecht skelettieren, dies entspricht aber ihrem Aufgabennaturell. Piranhas sind hauptsächlich Kadaver- und Aasbeseitiger. Das Piranhas auch lebende Tiere (Fische) angreifen und fressen kommt vor, ist aber nicht die Regel.
Landesmuseum Hannover
Dies ist meist der Fall bei:
  • der Brutpflege
     Eindringlinge oder Nesträuber werden sofort - auch von Einzeltieren - angegriffen
  • der Verteidigung
     Piranhas schliessen sich zuvor zu einer Gruppe zusammen
  • Verletzung oder Krankheit
     sogar Artgenossen können ein Opfer werden (Kannibalismus)
  • Hunger
     Nahrungsknappheit infolge von Austrocknung oder Vertümpelung eines Gewässers
Stichwort Kannibalismus.
Kannibalismus ist bei Piranhas häufiger anzutreffen als bei jeder anderen räuberisch lebenden Fischart. Jedoch ist dies keine Willkür sondern unterliegt besonderen Faktoren. Wenn Nebenflüsse, insbesondere Nebenarme dieser Flüsse, infolge von langer Trockenheit zu Tümpeln werden oder drohen auszutrocknen, wird auch die Nahrung knapp. Hier setzt nun der Überlebenstrieb ein, er ist jedem Tier angeboren und nicht steuerbar. Zunächst fallen die kranken und angeschlagenen Tiere diesem Trieb zum Opfer. Mit weiter zunehmender Raumknappheit werden auch grössere und gesunde Tiere angegriffen, getötet und gefressen. Zum Schluss werden sich nur noch die stärkeren Tiere in diesen Restgewässern behaupten können, oftmals wurden in einem solchen Tümpel nur noch eine kleine Gruppen von bis zu vier Tieren gezählt.

Wenn wir nun eine Parallele zu unserem heimischen Aquarium ziehen, so würde dieses letztendlich einem solchen Restgewässer entsprechen. Da wir aber unsere Piranhas stetig mit Futter versorgen, dürfte oder sollte es hier, vorausgesetzt die Beckengrösse bezgl. des Besatzes stimmt, nicht zum Kannibalismus kommen.

Keinesfalls sollte man jetzt vermuten, das (trotz dieser ausserordentlichen Vorkommnisse) Piranhas bösartig von Fress- oder Tötungstrieb geleitet würden. Piranhas sind genau das Gegenteil, sie sind sehr sozial strukturiert.

Diese soziale Struktur zieht sich fast über den gesamten Lebensbereich und das Umfeld dieser Fische.
  • Brutpflege
    Die Brutpflege wird hauptsächlich vom Männchen betrieben. Dabei ist der Schutz des Nestes und des junggeschlüpften Nachwuchses die Priorität bei der Brutpflege.
  • Gruppendynamik
    Bei Gefahr, Angriff oder Verteidigung, rotten sich die Piranhas blitzschnell zu einer grösseren Gruppe zusammen, um gemeinsam auf die jeweilige Situation zu reagieren. Dabei ist zu beobachten, das die jüngeren und kleineren Piranhas zumeist im Inneren des Pulks ihren Platz beziehen. Den äusseren Ring bilden hauptsächlich die alten und kräftigeren Männchen.
  • Rangordnung
    Erstaunlicher Weise kommt es bei der Festlegung der Rangordnung kaum zu Verletzungen. Die Festlegung der Rangordnung unterliegt einem regelrechten Ritual. Vorangehend werden sogenannte Scheinkämpfe ausgeführt. Dabei stehen die Kontrahenten Seite an Seite und führen heftige Schwanzflossenschläge aus. Dabei wird folglich eine Wasserdruck zwischen den beiden Körpern der Piranhas aufgebaut. Anhand dieses Wasserdrucks können die Kontrahenten ermessen, ob es sich bei dem Gegenüber um ein schwächeres, gleich starkes oder stärkeres Tier handelt. Sollte nicht schon hier eine Entscheidung gefallen sein, tritt das Kräftemessen in die nächste Phase ein. Dazu schwimmt der Kontrahent einen Bogen und nähert sich von der Seite. Dann beisst dieser kurz vor der Flanke des Kontrahenten ins Wasser und gibt einen grunzenden Laut von sich. Allerdings kann es hierbei im Eifer des Gefechts dazu kommen, das ein überhastiger Piranha evtl. seinem Kontrahenten einige Kratzer beibringt, da der gesamte Ablauf sekundenschnell erfolgt. Ist nach dieser Phase immer noch keine Entscheidung gefallen, folgen dann echte Bisse; zunächst nur in die Flossen und dann ernsthafte Bisse in Kehle und Rücken des Kontrahenten. Hierbei können dann auch so schwere Verletzungen auftreten, das einer der beiden Streithähne an den Folgen verstirbt.
  • Revierbildung
    Hier erfolgen ebenfalls wie bei der Rangordnung sogenannte Schaukämpfe. Allerdings tritt hier vermutlich nicht die letzte Phase eines echten Kampfes in Kraft, da einer Revierbildung immer zuerst die Rangordnung voransteht. So weiss jedes Tier um seine Stellung in einer Gruppe und das beste Revier wird sich auch das stärkste Tier sichern.
Verständigung

Zur Verständigung untereinander nutzen die Piranhas neben ihrer Körpersprache auch Laute. Diese Laute sind meist tieffrequent und haben Ähnlichkeit mit einem Grunzen und Knurren.
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Haltung und Pflege

Die Haltung von Roten Piranhas gestaltet sich eigentlich problemlos, wenn man auf die Grundbedürfnisse dieser Fische Rücksicht nimmt.

Wichtige Parameter zur erfolgreichen Pflege sind:

  • Richtige Temperatur: 23 - 26°C (empfohlen ca. 24°C, bei Zucht höher)
  • Ausreichender Platz (bezogen auf die Anzahl der Tiere)
  • Gute Bepflanzung (nicht unbedingt die Anzahl, sondern wie bepflanzt wird, s.u.)
  • Dekoration (ist aber eher ein sekundärer Punkt)
  • Gute Filterleistung (jedoch nicht allzustarke Strömung, s.u.)
  • Futter (Lebendfutter ist kein Muss, es sollte sogar darauf verzichtet werden, s.u.)
  • Intensiver Kontakt des Pflegers zu seinen Piranhas (s.u.)

Ausreichendes Platzangebot:
  • bei fünf Roten P. - Empfehlung: Becken ab 150 x 60 x 60 cm - (min. 130 x 60 x 60 cm)
  • bei sechs Roten P. - Empfehlung: Becken ab 180 x 60 x 60 cm - (min. 150 x 60 x 60 cm)
  • bei sieben Roten P. - Empfehlung: Becken ab 200 x 60 x 60 cm - (min. 160 x 60 x 60 cm)

Wie bereits erwähnt, sollte möglichst (wenn Statik, Zimmergrösse etc. es erlauben) immer das grösstmögliche Becken gewählt werden. Wer nicht über diese Möglichkeiten einer Aufstellung der Mindestgrösse eines Beckens verfügt, sollte lieber auf die Haltung von Piranhas verzichten, ohne das diese Aussage jetzt abwertend oder böse gemeint ist. Aber schliesslich handelt es sich hier um lebende Tiere, welche verantwortungsvoll betreut und gepflegt werden sollte.
Gute Bepflanzung

Unter einer guten Bepflanzung soll nicht verstanden werden, das Becken wahllos mit Pflanzen vollzuquetschen, sondern dem Habitat der Piranhas entsprechend auszuwählen und bevorzugt harte Pflanzen einzusetzen.

Die Pflanzanordnung muss nicht dem herkömmlicher Aquarien entsprechen, wo die Anordnung einem umgedrehten U nachgebildet ist. Hier können auch z.B. Mittelgrundpflanzen zwischen die Hintergrundpflanzen gesetzt werden, um einen gewissen Schwimmraum im hinteren Drittel des Beckens freizuhalten. Man wird schnell feststellen, das sich die Piranhas dort sehr gerne aufhalten und fast regungslos über den kleineren Pflanzen verweilen.
Bild rechts: Piranha-Becken im Landesmuseum Hannover - Man bedenke hierbei, dass die stete Sichtbarkeit der Tiere für den Besucher von gesteigerter Bedeutung ist

Bei der Einteilung von Pflanzengruppen sollte die Draufsicht einem rechtwinkligen Dreieck entsprechen. So können die Fische zwischen diesen Pflanzen gut schwimmen, bieten aber darüber hinaus einen ausgezeichneten Sichtschutz zum Nachbarn. Auch ein Wechsel von hochwachsenden und kleinerbleibenden Pflanzen sorgt für das Wohlbehagen der Piranhas. Auf bodendeckende Pflanzen kann getrost verzichtet werden, da diese über kurz oder lang von den Piranhas zerbissen werden.

Filter

Der Filter sollte so bemessen sein, dass das Wasservolumen des Beckens ca. 2 - 2,5 mal pro Stunde durchfiltert wird. Dabei sollte der grösstmögliche Filter (bezgl. des Filtervolumens) berücksichtigt werden. Eine evtl. zusätzliche mechanische Vorfilterung wäre von Vorteil. Diese mechanische Vorfilterung dient hauptsächlich dazu, Fleischreste oder groben Schmutz dem Wasser zu entziehen, bevor das Wasser anschliessend im Filter biologisch gefiltert (gereinigt) wird. Bei Topffiltern gibt es diese Vorfilter als optionales Zubehör zu kaufen. Bei Innenfiltern (z.B. Juwel) dient eine Schicht Wattevlies als mechanische Vorfilterung. Der Vorfilter sollte mindestens 1x in der Woche (bei starker Verschmutzung öfter) gereinigt, bzw. die Watte erneuert werden.

Futter

Das Futter sollte abwechslungsreich verabreicht werden. Dabei sollte vornehmlich Fischfleisch verfüttert werden - z.B. Forelle, Lachs, Scholle, Stinte, Muschelfleisch etc. Dieses Futter kann in jedem Lebensmittelmarkt in der Kühlkostabteilung gekauft werden.

Des öfteren ist zu lesen, das man auch gut Rinderherz füttern kann. Allerdings sollte an dieser Stelle erwähnt werden, das eine überwiegende Fütterung mit Rinderherz, auf lange Sicht zu einer Organverfettung führen kann. Die Folge ist oftmals ein unerklärlicher Todesfall und erst beim öffnen des toten Piranhas erkennt man deutlich die Verfettung der Organe. Ich verzichte jedenfalls auf die Verfütterung von Rinder-, Schweineherz und Fleisch. Dafür füttere ich ab und zu etwas Hühnerklein (Hühner- und Putenherz).

Ein besonders wichtiger Punkt beim füttern von Tiefgeforenem, ist das zuvorige Auftauen. Niemals sollte das Futter noch im geforenen Zustand ins Becken geworfen werden. Zum einen sind Piranhas schnellfressende Fische und werden auch grössere Brocken verschlucken. Was wohl im Darm eines solchen Tieres stattfindet, welches einen grösseren Brocken Eisfutters verschluckt hat, kann man sich wohl gut vorstellen indem man diesselbe Menge selbst verschluckt. Zum anderen sorgt das Tauwasser für einen nicht unerheblichen Anstieg des Phosphatgehaltes, was sich nach einer gewissen Zeit in Folge von unliebsamem Algenwuchs bemerkbar macht.

Intensiver Kontakt zum Pfleger

Immer wieder ist in der Literatur zu lesen, das Piranhas scheue Fische seien und das Becken daher an einer ruhigen Stelle oder externem Raum aufgestellt werden soll, da sie ansonsten wild durch Becken schiessen und sich an Scheiben oder Dekorationsgegenstände stossen würden.

Dieser allgemeinen Aussage möchte ich an dieser Stelle widersprechen. Sicher sind Piranhas vorsichtig, aber nicht im eigentlichen Sinne scheu. Das zuvor beschriebene Schiessen durch Becken ist zumeist gerade bei den abseits aufgestellten Becken zu beobachten.
Es ist nichts anders als die Reaktion (angeborener Instinkt) der Piranhas, zunächst auf ein ihnen unbekanntes Geschehen (z.B. Geräusche, Personen, Lichtreflexe etc.) mit Ausweichen (Flucht) zu reagieren. Da Piranhas hierbei recht hohe (Flucht-) Geschwindigkeiten erreichen ist es nicht verwunderlich, das sie in den heimischen, beengten Becken an Einrichtungsgegenstände und Scheiben stossen.

Zurückgreifend auf meine Erfahrung würde ich empfehlen das Becken dort aufzustellen, wo die Piranhas das tagtägliche Geschehen in unserer Wohnung miterleben können. Sehr schnell werden sie feststellen wie ausserordentlich zutraulich auch Piranhas werden können, wenn dieses Umfeld noch zusätzlich durch den intensiven Kontakt der Pfleger unterstützt wird, verlieren die Piranhas fast völlig ihre Scheu und legen stattdessen eine regelrechte Neugierde an den Tag.

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Fragen zu Piranhas oder deren Haltung?
Im Forum zu Raubfischen und Co. findet sich sicherlich eine Antwort.
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Quellen
Textquellen
Fotos
Titel: Pascal
alle anderen Bilder: S. von den Berg (August 2005, Landesmuseum Hannover)

 

Dietmar Reez, März 2006


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Konzept und technische Umsetzung:
Bilddarstellung: Lightbox 2.X by Lokesh Dhakar