Saccharomyces cerevisiae oder die Bäckerhefe
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Reich Pilze
Abteilung Ascomycota (Schlauchpilze)
Klasse Saccharomycetes
Ordnung Saccharomycetales
Familie Saccharomycetaceae
Maße 5-10 μm
Vorkommen industriell als Bäcker- oder Brauerei-Hefe, natürlich auf Früchten
Besonderheiten Modellorganismus für eukaryotische Zellen

 

S. cerevisiae allgemein
S. cerevisiae ist eine für die Lebensmittelindustrie sehr bedeutende Hefe. Ihre Stoffwechseleigenschaften werden sich z.B. in der Bäckerei, Winzerei oder beim Bierbrauen zu Nutze gemacht. Hefen sind einzellige Pilze (also Eukaryoten!), meist mit runder oder ovaler Form. Mit 5-10 μm sind sie deutlich größer als Bakterien. S. cerevisiae ist fakultativ aerob, d.h.  sie kann sowohl unter sauerstoffhaltigen Bedingungen als auch ohne Sauerstoff wachsen und überleben (näheres dazu weiter unten). Natürlich kommen Hefen z.B. in/ auf Früchten vor. Die industriell genutzten Hefen stammen von diesem Wildtyp ab, wurden jedoch gezielt auf die gewünschten Eigenschaften weiter gezüchtet, wie z.B. eine starke CO2 Produktion oder Hitzebeständigkeit.
Das Genom der Bäckerhefe ist vollständig sequenziert und besteht aus ca. 13 000 000 bp und insgesamt 6275 Genen, von denen aber wohl nur 5800 eine Funktion besitzen. S. cerevisiae ist ein bedeutender Modellorganismus in der Zell- und Entwicklungsbiologie. Viele Vorgänge und beteiligte Enzyme des Zellzyklus wurden an S. cerevisiae erforscht und können auf andere eukaryotische Zellen übertragen werden, da die verantwortlichen Gene stark konserviert sind.
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Stoffwechsel

Als fakultativer Aerobier ist S. cerevisiae sowohl zu respiratorischem Stoffwechsel (Atmung) als auch zu fermentativem Stoffwechsel (Gärung) in der Lage. Bei der Atmung werden unter O2 Verbrauch Zucker und Kohlenhydrate abgebaut  und es entsteht neben dem wichtigsten Produkt ATP auch CO2 (im Citrat-Cyklus). Bei der Gärung wird, unter anaeroben Bedingungen, Zucker zu Ethanol und CO2 abgebaut. Das aus der Glykolyse stammende Pyruvat wird dabei zunächst zum giftigen Acetaldehyd und sofort weiter zum Ethanol umgebildet. Der Zelle dient dies, um auch ohne Sauerstoff noch ATP bilden zu können, da das während der Glykolyse entstehende Reduktionsäquivalent NADH bei der Umsetzung des Pyruvats wieder regeneriert wird, so dass es erneut für die Glykolyse zur Verfügung steht. Die Energiegewinnung kann also, wenn auch in geringerem Umfang aufrechterhalten werden. Der Mensch macht sich die Fermentation bei der Wein oder Bierherstellung zu Nutze oder auch beim Backen (jedoch verdunstet hier fast der gesamte entstehende Alkohol).
Das zentrale Enzym dieser Reaktion ist die Alkoholdehydrogenase (ADH).  S. cerevisiae besitzt 2 verschiedene ADH, grundsätzlich sind beide in der Lage Acetaldehyd zu Ethanol umzusetzen oder den Abbau von Alkohol zu katalysieren, jedoch baut ADH1 Ethanol schneller auf und ADH2 schneller ab.

alkoholische Gärung (2)
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Vermehrung

S. cerevisiae vermehren sich zum Einen asexuell durch Sprossung, bei der die Mutterzelle einen Auswuchs bildet, der sich nach dem Einwandern des Tochterkernes abschnürt. Hierbei handelt es sich um diploide Zellen. Neben der Sprossung, also einer Mitose, sind diese Zellen auch in der Lage eine Meiose zu durchlaufen. Dabei bilden sich aus der nun Ascus genannten Mutterzelle 4 haploide Tochterzellen, genannt Ascosporen. Hierbei gibt es zwei verschiedene Formen, auch als "mating types" oder Paarungstypen bezeichnet: a und α (alpha). Welcher mating type bei einer Zelle vorliegt ist genetisch fixiert.

Auf einem der 16 Chromosomen befindet sich der MAT (mating type) Gen-Lokus, der entweder für a oder α codiert. Die Transkription des Gens wird durch den MAT-Promotor reguliert, die Gene selbst sind regulatorische Gene, die u.a. die Produktion von Peptidhormomen kontrollieren. Diese a-Faktor  bzw α-Faktor genannten Pheromone binden an Zellen des jeweils anderen mating types und bewirken eine Fusion der beiden Zellen. Es entsteht eine diploide "Zygote", die nun über die Gene beider Ausgangszellen verfügt und so eine Kombination von Genen, die ihr und ihren Nachkommen möglicherweise einen Vorteil verschafft. Die Zygote vermehrt sich nun entweder asexuell, wobei so neue diploide Zellen entstehen oder sie durchläuft erneut eine Meiose und es entstehen haploide a oder α-Zellen.

Lebenszyklus von S.cerevisiae (2)
(zum Vergrößern klicken)
Während die haploiden Zellen naturgemäß nur eine Kopie des MAT-Allels besitzen, verfügen diploide Zellen sowohl über a als auch über α-Gene. Das Vorliegen beider Allele bewirkt, dass das transkriptionelle Programm für diploide Zellen abläuft (z.B. die Einleitung einer Meiose). Ist nur ein Allel vorhanden wird das für haploide Zellen zuständige "Programm" abgespult.
Im Genom der Zellen befinden sich aber auch immer inaktive Kopien der MAT-Gene. Die Zelle ist in der Lage, das aktive MAT-Gen gegen eine der "silent copies" auszutauschen. Reguliert wird das Ganze durch das HO-Gen, das für eine Endonuclease codiert, die spezifisch DNA in der MAT Region schneidet. Exprimiert wird HO nur während der G1-Phase in haploiden Hefe-Zellen.
Die durch HO entstehende Lücke wird durch eine der inaktiven MAT-Allele gefüllt, so dass ein neues Gen im aktiven MAT-Lokus vorliegt und so ein anderer mating type.
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Industrielle Nutzung
Wie eingangs erwähnt wird Hefe bei der Herstellung von Bier, Wein und anderen alkoholischen Getränken und zum Treiben von Backteig genutzt. Dabei werden heute vor allem Reinkulturen verwendet, die in einem Melasse-Medium, dem zusätzliche Nährstoffe zugesetzt werden, unter aeroben Bedingungen vermehrt werden.
Bei der Herstellung von Bier wird unterschieden zwischen ober- und untergärigen Hefen. Die obergärige S. cerevisiae schwimmt während des Gärprozesses oben auf und ist deswegen anfälliger für Verunreinigungen durch andere Pilze oder Bakterien. Sie benötigt dafür aber auch eine höhere Temperatur als untergärige Hefen, welche während des Gärprozesses gekühlt werden müssen und die nach der Fermentation auf den Grund des Gefäßes sinkt. Heute ist untergäriges Brauen am verbreitetsten. Eine industriell verwendete untergärige Hefe ist S. carlsbergensis. Obergärige Biere sind z.B. Alt, Kölsch und Weizenbier, untergärige z.B. Pils und Lager. Beim Bierbrauen verarbeitet die Hefe die aus dem Getreide stammenden Zucker (Stärke wird bei der Keimung zu Maltose abgebaut, welche von der Hefe zu Ethanol und CO2 umgesetzt wird).
S. cerevisiae wird des Weiteren als Vitamin B Lieferant oder als Geschmacksverstärker verwendet.
S. cerevisiae
ist zwar die am häufigsten verwendete Hefe aber auch andere Hefen werden industriell genutzt. Bei der Produktion von Wein werden z.B. häufig noch natürliche Hefen verwendet, die sich auf den Früchten befinden und beim Pressen  in den Saft gelangen. Dort vermehren sie sich zunächst aerob und verbrauchen dabei den Sauerstoff. Sobald kein Sauerstoff mehr zur Verfügung steht wechseln die Zellen zum fermentativen Stoffwechsel und produzieren dabei Alkohol und CO2. Wichtig ist, dass Sauerstoff aus den Gärgefäßen herausgehalten wird, da sonst keine Gärung stattfindet. Da Hefen druckempfindlich sind, stellen sie die Fermentation ab einem Druck von 8 bar ein. Bei der kommerzielien Wein- und Sektherstellungl werden andere Hefen genutzt, z.B. S. ellipsoideus.
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Quellen
  • Brock  Biology of Microorganisms; Madigan & Martinko; 11. Auflage 2006; Pearson Prentice Hall
  • www.wikipedia.org (englische und deutsche Version)
Fotos
  1. Titel: Anne-Kathrin Sauer
  2. www.wikipedia.de

 

Anne-Kathrin Sauer, August 2006


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Konzept und technische Umsetzung:
Bilddarstellung: Lightbox 2.X by Lokesh Dhakar