Teil 1/2
Taxonomie oder das System des Lebens
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Teil 1: Was ist Systematik - Teil 2: Das System der Fische
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Was ist Systematik?

Nähern wir uns dieser Frage einmal mit zwei Zitaten:

„Systematik ist die Wissenschaft von der Vielgestaltigkeit der Organismen und deren Gliederung. Ihre Aufgabe ist es, die durch Verwandtschaftsbeziehungen gegebene Ordnung in der Natur zu erkennen und abzubilden und durch damit geschaffene Verallgemeinerungseinheiten Mannigfaltigkeit zu beherrschen.“

(Sudhaus, W., Rehfeld, K., 1992: Einführung in die Phylogenetik und Systematik)

„Taxonomie ist der Bereich, der sich mit Methoden, Techniken und Prinzipien der Beschreibung, Benennung und Anordnung der Organismen in ein System befaßt. Taxonomie ist also Schaffen von Ordnung. Manchmal wird Taxonomie mit Systematik gleichgesetzt.“

(Storch, V., Welsch, U., 1997: Systematische Zoologie)

Seit jeher ist der Mensch bemüht, die Welt um sich herum zu ordnen, Systeme zu schaffen, in welche die Dinge eingeordnet werden können und in denen Abläufe einschätzbar und damit regelbar werden. Dies ist bei der belebten Welt nicht anders. Nachdem festgestellt wurde, daß bestimmte Lebewesen einander ähnlicher sind als andere, lag auch hier das Bemühen nahe, Ordnung in die Natur zu bringen. Bald wurden Verwandtschaftsverhältnisse erkannt und mit Fossilfunden kam die Erkenntnis hinzu, daß heutige Arten aus früheren, ausgestorbenen Vorfahren hervorgegangen sind. Sogar, daß es Zwischenformen gab und gibt, die Verwandtschaft von bestimmten Organismengruppen belegen oder überhaupt erst aufzeigen.
Mit der Systema naturae und der Einführung der binären Nomenklatur von Carl von Linné 1753 war nach einigen mehr oder weniger erfolglosen früheren Versuchen eine Idee geboren, die es erlaubte, die belebte Umwelt erstmals in ein hierarchisches System zu gliedern. Ein solches System basierte (und basiert auch heute noch vielfach) auf dem Vergleich von Organismen hinsichtlich übereinstimmender morphologischer (körperbaulicher) Merkmale. Solche mit übereinstimmenden Merkmalen wurden zu einer Gruppe zusammengefaßt, die einen wissenschaftlichen Namen erhielt und fortan als TAXON galt. Dieses Taxon kann wieder mit anderen verglichen werden und auch – bei Übereinstimmungen – unter einem weiteren Taxon mit diesen vereinigt werden. Zum Beispiel:die ARTEN Carassius auratus (Goldfisch) und Carassius carassius (Karausche) gehören gemeinsam einer GATTUNG Carassius an. Diese Gattung wird zusammen mit anderen, verwandten Gattungen (z.B. Carassius, Cyprinus, Leuciscus) einer FAMILIE (Cyprinidae) zugeordnet, die Familie mit weiteren Familien einer ORDNUNG usw. So entsteht ein in sich verschachteltes, sogenanntes enkaptisches System. Die Begriffe Art, Gattung, Familie, Ordnung etc. bilden dabei die systematischen Kategorien, die wissenschaftlichen Namen die Taxa. Taxa bezeichnen demzufolge konkrete biologische Objekte.
In der wissenschaftlichen Literatur hat es sich eingebürgert, den Gattungs- und den Artnamen kursiv zu schreiben. Zudem hat sich eine große (und für den Aussenstehenden etwas unübersichliche) Menge an Abkürzungen und Definitionen etabliert. Die Wichtigsten davon sind hier aufgelistet.
 

Beispiel:
 
Kategorie:
 
Taxon:
 
 
  Klasse (classis) Osteognathostomata (Knochenkiefermünder)  
  Ordnung (ordo) Cypriniformes (Karpfenartige)  
  Familie (familia) Cyprinidae (Karpfenfische)  
  Gattung (genus) Carassius -  
  Art (species) Carassius auratus (Silberkarausche)  

 
Zwischen diesen wesentlichen Kategorien kann es noch diverse kleinere Unterteilungen geben, z.B. Unterklasse, Infraklasse, Überordnung, Abteilung und dergleichen, dies muss jedoch nicht immer sein, je nach Diversität der jeweiligen Gruppe.
Die Gliederung des hierarchischen Systems wird durch das Einrücken des jeweils niedrigeren Taxons dargestellt, wohingegen gleichrangige Taxa auf derselben Höhe bleiben, siehe dazu die Systematik der Fische weiter unten. Das hier zu findende System der rezenten Fischartigen und Fische gibt hierzu einen Überblick bis auf das Familienniveau.

Eine andere Darstellungsform von Verwandtschaftsverhältnissen zwischen Lebewesen sind Stammbäume (Cladogramme), aus denen sich im Idealfall die Zugehörigkeiten und Ursprünge jedes Taxons eindeutig ablesen lassen. Auf der Basis von ausgewählten Merkmalsdaten können heute Computerprogramme solche Stammbäume berechnen, wobei mittlerweile nicht mehr nur rein morphologische Merkmale, sondern auch – wenn nicht hauptsächlich - molekulargenetische Daten Verwendung finden.
In vielen Fällen sind enkaptische Systeme oder Stammbäume jedoch nicht perfekt aufgelöst, so daß mitunter Gruppen vereinigt werden, die nicht alle einen gemeinsamen Ursprung haben können. Ein anschauliches Beispiel hierfür bilden die Klassen der Wirbeltiere: Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere wurden bis vor kurzem alle als KLASSEN geführt, obwohl man sich bewußt war, daß die Amphibien aus den Fischen und die Vögel und Säugetiere aus den Reptilien hervorgegangen waren.

Abschließend soll angemerkt werden, daß taxonomische Systeme sich in ständigem Fluß befinden; neue Arten werden benannt, alte werden umbenannt, ganze Gruppen werden neu (ein)geordnet oder gespalten. Dies geschieht selbst in den höheren systematischen Kategorien, je nach Entwicklung des Kennstnisstandes, der Korrekturen notwendig macht. Auch bei den OTWs finden sich einige bemerkenswerte Neuerungen der letzten Jahre.

So wurde für die Gladiatoren (Mantophasmatodea), die nach Funden in Bernstein erst anschließend in Afrika nachgewiesen werden konnten, eine komplett neue Insektenordnung geschaffen. Für Limnognathia maerski wurde eigens eine neue Klasse, Micrognathozoa, gegründet. Osedax ssp., für die eine neue Ordnung (Canalipalpata) her mußte, sind ein Beispiel für den derzeit besten Ort, um neue Arten zu entdecken: die Tiefsee. Aber auch an Land und im Süßwasser ist noch lange nicht alles bekannt und selbst bei den Primaten gibt es noch regelmäßig Neues zu entdecken, woran auch Hannover nicht unbeteiligt (AG Radespiel & Zimmermann, Zoologie) ist. Auch bei wirbellosen Tieren, wie der erst 1979 entdeckten Klasse der Remipedia, hat die Biologie in Hannover ihre Hände im Spiel (AG Könemann, Tierökologie & Zellbiologie), gleiches gilt für Amphibien (AG Pröhl, Zoologie).

So ist eine Systematik ist also nur im Idealfall ein statisches Gebilde. In den letzten Jahren (seit Hebert et al, 2003) gibt es Bestrebungen (auch diese unter anderem in Hannover: AG Schierwater, Tierökologie & Zellbiologie), die genetische Herangehensweise zu standardisieren und einen sogenannten "Barcode" zu verwenden. Dabei sollen kurze, festgelegte Genregionen als Marker dienen, anhand derer die jeweiligen Arten voneinander unterschieden werden können. Ein eigens hierzu gegründetes Konsortium wie auch verschiedene Webseiten, welche bekannte Barcodes und Tools anbieten (z.B. BOLD) versucht hierbei, ordnend die Bemühungen zu koordinieren.

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Wozu das Ganze?

Natürlich ist es nicht ausschließlich der Drang des Menschen, Ordnung in das Chaos zu bringen, welches der Antrieb zur Erstellung einer taxonomischen Gliederung der Natur darstellt. Durch eine Gliederung wird das wissenschaftliche Arbeiten erst möglich, da man sich auf fest definierte Gruppen und Einheiten beziehen kann. Die Auswirkungen auf den Artenschutz sind ein weiterer wichtiger Aspekt. Vielfach ist die Entscheidung, ob es sich um eine neue Art handelt oder einer bekannten zugeordnet werden kann, ein Wettlauf gegen die Zeit. Es ist sicherlich schon so manche Art vom Angesicht der Erde verschwunden ohne als solche erkannt worden zu sein und "Dank" der vereinigten Bemühungen der Menschheit wird es wohl auch noch vielen Arten so gehen.
Erst wenn wir wissen, was wir vor uns haben und auf welche Weise es mit anderen bekannten Arten zusammenhängt, lässt sich entscheiden, wie diese es am Besten zu schützen ist.

Aber auch ganz praktische Konsequenzen sind aus der Taxonomie zu ziehen: Bei nahe verwandten Arten ist es wahrscheinlicher, ähnliche Strukturen zu finden (dies kann beispielsweise bei der Suche nach pharmakologisch aktiven Substanzen, seien sie positiver oder negativer Natur, von Bedeutung sein). Letztlich war es die Erkenntnis der verwandtschaftlichen Nähe, die der modernen Versuchstierkunde erst ihre Berechtigung lieferte, dem Menschen zu dienen, da diese Erkenntnis den Rückschluss von an Tieren gewonnen Ergebnissen auf den Menschen erlauben.

Sicherlich gibt es noch viele weitere Begründungen über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Systematik, doch nun zu einem Beispiel: Wie sieht die Systematik der rezenten Fische und Fischartigen aus? So...

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Arne Hübner und Sönke von den Berg, Januar 2007


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