Birgus latro oder der Palmendieb
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coconut crab, crabe de cocotier
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Reich Animalia
Abteilung/Stamm Arthropoda
Klasse Crustacea
Ordnung Decapoda
Familie Coenobitidae
Maße Länge ~ 30 cm; Spannweite ~ 75 cm
Vorkommen Indo-Westpazifik
Besonderheiten Beste Landanpassung unter den Decapoden
Schutzstatus bejagte Delikatesse

 

Allgemeines
Birgus latro ist die größte terrestrische Crustaceen-Art: die größeren Männchen werden bis 32 cm lang, erreichen eine Beinspannweite von bis zu 75 cm und ein Gewicht um 3 kg (Kaestner) bzw. über 10 kg (Storch/Welsch). Birgus kommt v.a. auf kleinen Inseln im Indo-Westpazifik vor (Tropen). Er wird als am besten ans Landleben angepasster Decapode gehandelt, über die im Allgemeinen schon in diesem OTW berichtet wurde.
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Bau

Im Gegensatz zu den Coenobita ist das Pleon breit, dorsal verkalkt, symmetrisch und ventral unter den Vorderkörper geschlagen. Anders als die Coenobita-Arten wird das Pleon des Adulten also nicht in einer Schneckenschale verborgen. Im Übrigen treten große Abweichungen vom Coenobita-Bau v.a. im Atemtrakt auf.

Fortpflanzung und Entwicklung

Der Begattung geht ein ca. fünfzehnminütiger Paarungskampf vorraus, der erfolgreich mit der Rückenlage des Weibchens endet. Es folgt eine direkte Befruchtung mittels Kopulationsfortsatz am 5. Laufbein des Männchens. Es existiert ein Brupflegeverhalten des Weibchens. Die befruchteten Eier werden an den Pleopoden getragen und mit Drüsensekret und Wasser feucht gehalten. Erst wenn die ersten Larven schlupfbereit sind, werden die Eier im Niedrigwasser abgeschüttelt. Die geschlüpften Zoea-Larven entwickeln sich zu ebenfalls pelagischen Glaucothoe-Larven. Diese sind symmetrisch und ca. 2 mm lang. Sie wechseln zu einer benthischen Lebensweise, suchen kleine marine Schneckenschalen auf und gehen damit an Land. Ab der folgenden Häutung wird sukzessiv ein deutlich asymmetrisches Pleon entwickelt, nach weiteren Häutungen – stets muss ein größeres Schneckengehäuse gefunden werden – gibt Birgus mit einer Größe von 10 – 12 mm den Schutz der Schneckenschale für den Rest seines Lebens auf. Mit weiteren Häutungen wird das Pleon wieder symmetrisch, und das 4. Laufbein, zuvor Klammerorgan im Gehäuse, wird kräftig und dient der Lokomotion. Die Kiemen werden stark reduziert und durch Branchiostegallungen ersetzt.

Darstellung eines Palmendiebs aus dem Jahre 1849
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Exkretion

In Anpassung an das Landleben wird Stickstoff vorwiegend (ca. 80%) als Harnsäure ausgeschieden (wie Hexapoda), die in der Mitteldarmdrüse mittels Xanthin-Oxydase gebildet und über den Darm mit dem Kot ausgeschieden wird. Die Stickstoffabgabe über Antennendrüsen (wie Decapoda) ist unbedeutend, ebenso die Exkretion über gasförmiges Ammonium (wie terrestrische Isopoda). Die Ionenregulierung ist kaum bekannt.

Verdauung

Bemerkenswert ist der Besitz von Hemicellulasen, Cellulasen und Chitinasen. Der Nahrungsselektion folgt eine lange Retentionszeit (um 27h), die mit einem extensiven Aufschluss von Proteinen, Lipiden, Kohlenhydraten und signifikanten Mengen von strukturellen Kohlenhydraten einhergeht.

Atmung

Es ist ein umfangreiches Luftatmungsorgan (Branchiostegallungen) ausgebildet. Beiderseits entsteht durch Verbreiterung der Branchiostegite (Seitenteile des Carapax) die laterale Wand des großen Lungenraumes. Die Vergrößerung der respiratorischen Oberfläche wird durch zahlreiche traubig verzweigte Warzen erreicht. Der Lungenraum wird von Epithel ausgekleidet, das vom Kapillarsystem der Lungenarterie und Lungenvene unterlagert wird. Der Gasaustausch erfolgt nach dem Gegenstromprinzip: Luft wird von hinten nach vorne durch die Lungenkammer geleitet, während das sauerstoffarme Blut über die Lungenarterie von vorne eintritt und das sauerstoffangereicherte posterior über die Lungenvene im Bogen dem Herzen zugeführt wird. Die Affinität der Hämolymphe zum Sauerstoff ist relativ unsensitiv gegenüber äußeren Effektorsubstanzen. Das Lungenepithel muss ständig feucht gehalten werden. Dazu wird Süßwasser aus kleinen Ansammlungen (z.B. Tautropfen) mit den Scheren aufgenommen und von dort mit den kleinen 5. Laufbeinen in die Lungenkammer gebracht. Dieselben Extremitäten dienen auch der Säuberung des Lungenepithels.

Kletternder Palmendieb
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Ökologie

Birgus kommt solitär bis in 6 km Entfernung vom Meeresstrand vor. Als Behausungen dienen Löcher von Korallenfelsen, im Inland Höhlen unter Baumwurzeln oder selbstgegrabene Erdhöhlen. Auf Störungen reagiert er mit einem schnellen Rückzug ins Versteck, wo er dann oft stundenlang regungslos ausharrt.Ursprünglich wurde Nahrung am Tage gesucht, zumindest in Menschennähe ist er jedoch zum strengen Nachttier geworden. Dabei werden Streifzüge im Umkreis von bis zu 100 m um das Versteck unternommen.
Birgus ist omnivor, verspeist v.a. Früchte und kleinere, langsamere Tiere (frisch geschlüpfte Meeresschildkröten) und gilt nebenbei als Kannibale. Der bevorzugte Verzehr von Kokosnüssen (nur bereits beschädigte) ist namensgebend (coconut crab, crabe de cocotier). Nahrung wird meist vor dem Verzehr ins Versteck gebracht. Futterneidische Artgenossen versuchen oft, Nahrung abzustauben. Nahrungsverzicht wird bis zu 14 Monate überlebt. Der Aufenthalt im Wasser endet nach spätestens 5 Stunden tödlich. Bäume werden bis zu 20 m erklommen, um Fressfeinden und Hitze zu entgehen. Dabei wird der Stamm mit den 2. u. 3. Laufbeinen umfasst (s. Photo). Die gezielte Ernte von Kokosnüssen gehört aufgrund unzureichender Sinnesleistungen ins Reich der Biologielegenden. Es handelt sich vermutlich um Unfälle kletternder Palmendiebe.

Mensch und Birgus

Als Delikatesse und Aphrodisiakum geltend (wie auch andere Decapoda) ist Birgus auf einigen Inseln im ursprünglichen Verbreitungsgebiet bis zur Ausrottung der Population bejagt worden. Besonders beliebt sind die Eier. Gejagt wird v.a. in mondlosen Nächten mit Taschenlampen, aber auch tagsüber durch Ausgraben oder Ausräuchern der Verstecke. Darwin erwähnte bereits, dass aus einem Tier bis zu 1 Liter Öl gepresst werden kann. Zubereitung der Tiere erfolgt durch Kochen oder Dämpfen. Beim Verzehr kommt es manchmal zu Vergiftungen, die aus gifthaltiger Nahrung des Palmendiebs resultiert. Es existiert die Auffassung, dass der Palmendieb stark vom Menschen bedroht wird, z.B. steht er auf der roten Liste der IUCN. Den deutschen Namen erhielt der Palmendieb, weil er häufig transportable Gegenstände aus Menschennähe (z.B. Schuhe) verschleppt.

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Quellen
  • H.-E. Gruner (Hrsg.): „Kaestner – Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Bd. I, 4. Teil“ (4. Aufl.), Verlag Gustav Fischer
  • Storch/Welsch: „Systematische Zoologie“ (6. Aufl.), Spektrum Verlag
  • http://www.iucnredlist.org/search/details.php/2811/all
  • http://jeb.biologists.org/cgi/content/abstract/140/1/477
  • http://www.springerlink.com/content/h4pad5xkwflqp70p/
  • http://fr.wikipedia.org/wiki/Crabe_de_cocotier
Fotos
alle: www.wikipedia.org

 

André Krahner, Februar 2007


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