Marchantia polymorpha oder das Brunnenlebermoos
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Reich Plantae
Abteilung Bryophyta
Unterabteilung Hepaticophytina (Lebermoose)
Klasse Marchantiopsida
Ordnung Marchantiales
Familie Marchantiaceae
Maße 10 cm Länge, 2 cm Breite
Vorkommen kosmopolitisch
Besonderheiten sehr anspruchslos
Schutzstatus nicht geschützt

 

Allgemeines

Wie der Name schon verrät gehört M. polymorpha zur Abteilung der Moose. Das Brunnenlebermoos ist der häufigste Vertreter der Lebermoose. Die Pflanze kommt kosmopolitisch (= ubiquitär, weltweit) vor und stellt, abgesehen von etwas freier Feuchtigkeit (nicht gefroren), keine weiteren Ansprüche bezüglich Licht, Boden oder Temperatur an den Lebensraum. Gegenüber Schwermetallen ist die Pflanze resistent, auch eine Bekämpfung ausschließlich mittels Herbiziden wiedersteht die Pflanze recht gut.
Die weltweite Verbreitung der Art ist möglicherweise auf den Menschen zurückzuführen.


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Habitus

Auf- & Seitenansicht der Brutbecher, deutlich erkennbare Luftspalten auf dem ThallusDer Thallus der Lebermoose besteht aus unterschiedlich differenzierten Zellen in mehrschichtiger Anordnung. Auf eine Deckepidermis mit photosynthetisch aktiven Zellen, welche von Luftspalten unterbrochen ist, folgt eine spongiöse Schicht ebenfalls photosynthetisierender Zellen. Diese wiederum liegen über einer mehrschichtigen unteren Epidermis, die teilweise Zellwandverdickungen und Öleinschlüsse aufweist (am ehesten als Ölvakuolen zu bezeichnen). Auf der oberen Epidermis werden die Brutbecher (zur vegetative Fortpflanzung; siehe Bild rechts) und die Geschlechtsorgane gebildet. An der unteren Epidermis entstehen die Verankerungsorgane, sogenannte Rhizoide (einzellige, bis 1 cm lange Auswüchse) und Zäpfchenrhizoide (welche über ein sekundäres Dickenwachstum verfügen), sowie Bauchschuppen. Letztere kommen in drei verschiedenen Formen vor (groß entlang der Mittelrippe; abgerundet am vorderen Rand des Thallus; lang und schmal auf der restlichen Unterseite), was im Übrigen auch für die systematische Einordnung des jeweiligen Lebermooses genutzt wird.
Der Thallus wird von sogenannten Scheitelzellen ausgehend gebildet, welche wechselseitig sich weiter teilende Segmente abschnüren. Verzweigungen des Thallus entstehen durch Abschnürungen weiterer Scheitelzellen, im Zentrum verläuft eine Mittelrippe.
Auf- und Seitenansicht des AntheridiumsDer Thallus ist gleichzeitig für Fortpflanzung und Assimilation zuständig. In seinem Aufbau ähnelt er schon sehr dem der höheren Pflanzen (Kormophyten = Sprosspflanzen). Sie verfügen schon über den Spaltöffnungen ähnliche Strukturen, die Luftspalten (siehe Bild oben rechts). Diese ermöglichen es der Pflanze, die Assimilation in einem definierten Mikroklima innerhalb des Thallus, geschützt und gestützt von epidermalen Zellen, betreiben zu können. Die Regulation dieser Luftkammern ist jedoch noch bei weitem nicht so fein abgestimmt, wie bei den Blättern der höheren Pflanzen.
Das Licht bestimmt bei den Brutkörpern des Thallus die Entwicklung und Differenzierung in "oben" und "unten" (Photomorphose).
Die Pflanzen sind diözisch (zweihäusig). Männliche Pflanzen sind an den schirmförmigen Auswüchsen zu erkennen (sogenannte Antheridien, siehe Bild links), während weibliche Individuen sternförmige Ständer aufweisen.


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Fortpflanzung

Die Fortpflanzung kann sowohl vegetativ mittels der in den Brutbechern gebildeten Keime erfolgen oder geschlechtlich mittels Spermien und Eizellen.

Vegetative Vermehrung
Der Thallus bildet becherförmige Auswüchse – die „Brutbecher“ oder „Brutkörbchen“. In diesen entstehen die Brutkörper – kleine, flache, linsenähnliche Brutkörper mit zwei Einkerbungen Fortpflanzungseinheiten. Dabei bilden sich kleine Auswüchse am Boden des Brutbechers, einzelne Zellen, welche sich weiter teilen und dabei durch einen kleinen Stiel mit den Thallus verbunden bleiben, bis die Entwicklung abgeschlossen ist. Dann lösen sie sich vom Thallus ab und liegen lose im Brutbecher. Die Brutkörperchen (siehe Bild links) sind mehrschichtig und verfügen über zwei Einkerbungen (siehe Pfeile) mit je einem Vegetationspunkt (= primäres Bildungsgewebe), Rhizoidinitial-Zellen und Ölzellen, Letztere dienen der Speicherung ätherischer Öle. Die Brutkörper bilden neue Thalli aus. Die vegetative Vermehrung ermöglicht eine schnelle Ausbreitung von M. polymorpha und wird von der Pflanze sehr intensiv zur Vermehrung des haploiden Gametophyten „genutzt“.

Geschlechtliche Vermehrung (s. auch Skizze rechts)
Fortpflanzungszyklus von M. polymorpha (Wikipedia)Der Gametophyt bildet Gametangienstände aus, welche aus einem Stiel und einem sternförmigen Schirm bestehen. M. polymorpha ist zweihäusig – Antheridien und Archegonien werden also auf unterschiedlichen Individuen gebildet. Wie bei vielen Bryophyten erfolgt die Geschlechtsbestimmung haplogenotypisch durch Geschlechts-Chromosomen.
Die Antheridienstände beherbergen auf der Oberseite die Antheridien, welche sich in Hohlräumen mit einer engen Öffnung nach außen befinden. Nach einem Regenschauer verschleimen die Wandzellen und quellen auf – die Antheridien öffnen sich und entlassen ihren Inhalt, nämlich Spermatozoiden, in die Umgebung. Diese befinden sich nun sich in dem Wasser (Regen oder Tau), welches sich durch die leicht aufgebogenen Ränder des Antheridienstandes auf seiner Oberfläche sammelt.
Der Archegonienstand von M. polymorpha ist stärker gelappt als der Antheridienstand und der Rand des Schirmes ist nach unten gebogen, die Archegonien befinden sich auf der Unterseite des „Schirmes“.
Die Befruchtung erfolgt bei Regenwetter – durch herabfallende Wassertropfen werden die Spermatozoiden auf die Archegonienstände gespritzt. Deren Epidermiszellen ragen papillenfömig hervor und bilden so ein Kappillarsystem, in dem die Spermatizoiden zu den Archegonien geleitet werden. Die Zielfindung geschieht durch Chemotaxis – vermutlich handelt es sich hierbei um Proteine, die von den Archegonien abgegeben werden.
Aus der Zygote bildet sich wenige Tage nach der Befruchtung der diploide Sporophyt und beginnt die Entwicklung zu einem vielzelligen Embryo. Dieser wächst zu einem kleinen, ovalen, sehr kurz gestielten Sporogon heran. Aus diesem entwickelt sich eine Kapsel, welche mehrere hunderttausend Sporen enthält. Zwischen den Sporen liegen faserförmige Schläuche, die Elateren. Nachden die Kapsel sich geöffnet hat, bewegen sie sich hygroskopisch und bedingen damit eine Lockerung und Ausstreuung der Sporen.
Aus den Sporen bildet sich zunächst ein kurzes, chloroplastenhaltiges Protonema (= Keimfaden), welches dann durch Zellteilung an zunächst einem, dann mehreren Vegetationspunkten zu einem haploiden Thallus heranwächst.


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Anekdoten und Verwendung

Die ptDNA (Erbinformationen in den Plastiden) wurden erstmals bei dem Brunnenlebermoos (und dem Tabak, Nicotiana spec.) im Jahre 1986 von zwei japanischen Arbeitsgruppen total sequenziert. In dem sogenannten Chondrom (Mitochondriengenom) wurden 66 Gene mit identifizierter Kodierender Funktion, bzw. rRNA und tRNA-Gene mit 186608 Basenpaaren (1C = im haploiden, unreplizierten Genom) beschrieben. Die Gene liegen in einem einzelnen Ring doppelsträngiger mtDNA vor.
Der Name der ganzen Unterabteilung der Lebermoose beruht auf der Ähnlichkeit zur Leber von Tieren. Seit einigen Jahren werden Lebermoose wegen ihrer starken fungiziden Wirkung gegen Pilze eingesetzt.


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Quellen

Strasburger - Lehrbuch der Botanik für Hochschulen (Spektrum Akademischer Verlag; 35. Auflage - August 2002)
Nultsch - Allgemeine Botanik (Thieme Verlag; 10. Auflage - 1996)
http://de.wikipedia.org/wiki/Brunnenlebermoos
http://oregonstate.edu/dept/nursery-weeds/weedspeciespage/liverwort/liverwort_page.html
http://www.boga.ruhr-uni-bochum.de/spezbot/skripte/Sk_Moose.htm
http://www.botany.wisc.edu/greenhouse/Roomsix-Ma.html

Fotos
Christiane & Sönke von den Berg
Skizze
Verändert nach Mariana Ruiz Villarreal (Wikipedia commons), vielen Dank! Herunterladen der hohen Auflösung hier!

 

Sönke & Christiane von den Berg, Februar 2008


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