Sexuelles Verhalten
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Sexuelle Selektion

Sexueller Konflikt

Evolution von Sex

Selektion: Intrasexuell und Intersexuell

Evolution von Paarungssystemen

 

Sexuelle Selektion

Definition nach Darwin:

Sexuelle Selektion ist die Art von Selektion, die den Vorteil, den einzelne Individuen gegenüber anderen Individuen desselben Geschlechts und derselben Art erfahren betrifft und zwar ausschließlich in Bezug auf die Fortpflanzung.“

Darwin distanziert sich jedoch davon, den Prozess der sexuellen Selektion dem der natürlichen Selektion gegenüberzustellen. Sexuelle Selektion bewertet die Variation in individueller Fitness, die durch das Geschlecht der betreffenden Individuen verursacht wird.


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Sexueller Konflikt

Die genetischen Interessen von Männchen und Weibchen sind in den seltensten Fällen gleich. Die Anisogamie und ihre Folgen führt in den meisten Fällen dazu, dass es auf Grund von geschlechterspezifischer Anpassung zur individuellen Maximierung des Fortpflanzungserfolges zu einem evolutiven Konflikt und damit Wettrüsten zwischen den Geschlechtern kommt.

Immer wenn Anpassungen eines Geschlechts die Fitness der Mitglieder des anderen Geschlechts beeinträchtigen, sollte dies zu Gegenanpassung im betroffenen Geschlecht führen. Wenn diese Gegenanpassungen erfolgreich sind, leitet dies ein evolutionäres Wettrennen zwischen den Geschlechtern ein“ (Parker 1979).

Dieser Konflikt ist immer dann zu erwarten, wenn die Geschlechter sich nicht in lebenslanger Monogamie fortpflanzen, wenn sie sich genetisch unterscheiden und wenn diese Unterschiede zu verschiedenen optimalen Ausgängen führen. Da andererseits die Fitness von Männchen und Weibchen nicht unabhängig voneinander evoluiert, schaden sich beide Geschlechter jeweils auch indirekt selbst, wenn sie ihre Fitness auf Kosten des jeweils anderen erhöhen“ (Arnqvist 2004).


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Evolution von Sex

Bei den meisten sich sexuell fortpflanzenden Arten besteht Anisogamie, d.h. es gibt 2 Gameten von unterschiedlichem Aussehen:

  • ♀ Gameten sind groß, reich an Nährstoffen, i.d.R. unbeweglich & in ihrer Zahl limitiert
  • ♂ Gameten sind klein, nährstoffarm & besitzen meist Flagellen, die sie zur aktiven Fortbewegung befähigen

Die Entstehung großer und kleiner Gameten aus der Isogamie (Verschmelzung zweier gleich großer Gameten) wird als das älteste Beispiel eines sexuellen Konfliktes gesehen. In der Entwicklung der Anisogamie wurden große Gameten gegenüber den kleinen bevorzugt, da erstere zu größeren Zygoten mit mehr Nährstoffe heranreiften und daher die Überlebenschancen für die Zygote höher lagen. Nun wurden die kleineren Gameten selektiv dazu gezwungen, sich möglichst große Partner zu suchen und damit wiederum die eigenen Überlebenschancen zu maximieren. Ein evolutiver Wettlauf begann, da im Grunde beide Gameten - große wie kleine - kleinere Gameten als Partner zurückweisen sollten. War die Wahrscheinlichkeit bei großen Gameten, die mit kleinen Gameten verschmolzen zum Überleben noch verhältnismäßig groß, so gingen zwei kleine Gameten, die miteinander verschmolzen zu Grunde. Der Selektionsdruck der auf die kleinen Gameten ausgeübt würde überstieg den der großen immens.

Der Vorteil der kleinen Gameten drückte sich in der Möglichkeit der schnellen und massenhaften Reproduktion aus, denn durch die aktive Fortbewegungsweise konnten sie die großen, nährstoffreichen Gameten aktiv aufsuchen. Die Makrogameten hingegen gaben ihre Bewegungsfähigkeit schließlich ganz auf und somit gingen die Mikrogameten aus dem evolutiven Wettrüsten als Sieger hervor, denn sie konnten durch die Makrogameten nicht von der Zygotenbildung und damit der Ausbeutung der eigenen Investitionen ausgeschlossen werden.

Welche Folge hat nun die Entstehung unterschiedlich großer Gameten?

♂ Individuen können ihr ganzes Leben lang Unmengen von Spermien produzieren, d.h. ihr genetisches Material steht mehr oder weniger unbegrenzt zur Verfügung, wohingegen ♀ Individuen in der Zahl der Eizellen begrenzt sind, denn die Produktion von großen, nährstoffreichen Eizellen steht im einem hohen energetischen Aufwand in Verbindung. Dies führt dazu, dass in den meisten Fällen die männlichen Vertreter einer Art um die knappe weibliche Ressource - die Eizelle - konkurrieren müssen.


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Intra-/ Intersexuelle Selektion

Sexuelle Selektion spaltet sich in zwei Aspekte auf:

1.
Intraspezifische Selektion - wie Männchen konkurrieren:

Intrasexuell führt diese Art der Selektion zu kompetitivem Verhalten innerhalb eines Geschlechts, meist zwischen den Männchen. Hierzu dienen jedoch nicht nur Kämpfe um das betroffene Weibchen, sondern alle Merkmale, die die Gelegenheit zur Paarung zu kommen, erhöhen.

Bsp:
Ornamente: Zu Ornamenten zählen Farben, Muster, Anhänge, vergrößerte Strukturen oder aufwändigen Signale, die im Rahmen der Paarungskonkurrenz oder Partnerwahl eingesetzt werden. Da diese Signale jedoch nicht nur von artspezifischen Partnern, sondern ebenso von Prädatoren erkannt werden, ist es berechtig, die Frage nach dem Nutzen solcher kostspieligen Verschönerungen zu stellen.

Eine Erklärung liefert die von Zahanvi 1975 postulierte „Handycap-Hypothese“: Da die Herstellung und das Erhalten solcher aufwändigen Merkmale sehr kostenintensiv ist, können sich nur solche Individuen diese Ornamente leisten, die stark/fit genug sind, sich vor Prädatoren zu schützen, oder trotz „behindernder“ Körperanhänge genügen Nahrung zu finden. Als Beispiel seien hier Agamen (Agamidae) genannt, die bestimmte Körperregionen auffällig gefärbt haben. Körperteile, die von visuell jagenden Räubern wahrgenommen werden können, sind bei beiden Geschlechtern unauffällig gefärbt, wohingegen andere Körperstellen einen Sexualdichromatismus (unterschiedliche Färbung bei beiden Geschlechtern) aufweisen, dessen Intensität positiv mit dem Maß an Sexualdimorphismus in der Körperlänge korreliert.

Zum einen wird den weiblichen Vertreten der Art angezeigt: „Ich kann mit solch einem Handicap überleben, meine Gene sind gut“ (dies würde allerdings unter intersexuelle Selektion fallen), zum anderen wird anderen Männchen signalisiert: „Ich bin stark und kann mich durchsetzen, denn ich habe trotz meines Handicaps überlebt!“

Intraspezifische Konkurrenz kann wiederum in drei Untergruppen untergliedert werden:

  1. Präkopulative Konkurrenz:
    • Strategie der Partnersuche (z.B. kohäsive Gruppenbildung, Synchronisierung, Pheromone, akustische Signale, Mobilität, etc…)
    • Kampfkraft und Soziale Dominanz (Sexualdimorphismus, reproductive skew, Waffen)
  2. Poskopulative Konkurrenz:
    • Spermienkonkurrenz (z.B. Prachlibelle (Calopteryx maculata), Konkurrent entfernt Spermien aus ♀ Spermatheca, bevor er eigene abgibt)
    • Partnerbewachung
    • Paarungsverhalten
    • Morphologische Anpassung (Schlüssel-Schloß-Prinzip)
  3. Postkonzeptionelle Konkurrenz:
    • Bruce-Effekt (Absterben der Föten im Mutterleib, z.B. bei Mäusen durch Stoffe im Urin des Mäusebocks)
    • Infanzid (Kindstötung, z.B. bei Löwen)
2. Intersexuelle Selektion - was Weibchen wollen:

Intersexuell wird die Sexuelle Selektion durch die Wahl des Weibchens bestimmt. Da die weiblichen Fortpflanzungsmöglichkeiten durch die begrenzte Zahl der Eizellen limitiert sind, unterliegen die weiblichen Vertreter einer Art dem Druck, Männchen möglichst so zu wählen, dass die Überlebenschancen ihrer Nachkommen maximiert wird. Auch der Druck die eigene Art spezifisch zu Erkennen liegt weit aus höher, als bei männlichen Artgenossen. Die Gefahr wertvolle Eizellen an einen Artfremden Kopulationspartner zu verlieren und damit das Risiko einzugehen keine Nachkommen oder sterile Nachkommen zu zeugen führt dazu, dass eindeutige Signale von Weibchen präferiert werden.

Weibchen haben verschiedene Möglichkeiten zwischen Männchen zu wählen, doch im Endeffekt läuft es häufig auf das gleiche hinaus: Welcher Partner vermittelt mir die besten Gene - und damit Überlebenschancen - für meine Nachkommen.

Bsp:
Bei Rauchschwalben (Hirundo rustica) wurde in einem Experiment von Møller 1990 die Länge der Schwanzfedern künstlich verändert. Bei einer Gruppe kürzte er die Schwanzfedern, eine Gruppe blieb zur Kontrolle unberührt, einer Kontrollgruppe wurden die Schwanzfedern erst gekürzt und danach wieder angeklebt um zu erkennen, ob die Veränderung an sich die Wahl der Weibchen beeinflusste, der letzten Gruppe verlängerte er die Schwanzfedern.
Bei der darauffolgenden Wahl wurden die Männchen mit den verlängerten Schwanzfedern bevorzugt, sie brauchten am wenigsten Zeit, um ein paarungsbereites Weibchen zu finden. Zudem war der Anteil der Männchen mit einem zweiten Gelege auch in dieser Gruppe höher. Møller erkannte, dass die Länge der Schwanzfedern von H. rustica mit dem Grad des Parasitenbefalls im Gelege korrelierte. Je länger die Schwanzfedern, desto niedriger war der Parasitenbefall. Die Erklärung hierfür ist, dass die Schwanzlänge der Männchen den eigenen Milbenbefall anzeigt. Wurden stark befallene Männchen mit Pyrethrin behandelt, so waren die Schwanzfedern im nächsten Jahr deutlich länger und die Paarungschancen damit höher.

Direkte Vorteile der interspezifischen Selektion sind:

  • Materielle Zuwendung (z.B. Größe des Brautgeschenks bei Bittacus apicalis)
  • Zugang zu Ressourcen, Paarung findest bevorzugt mit Besitzern von Ressourcen statt (z.B. bei Ochsenfröschen)
  • Brutpflegeleistung (z.B. beim 15-stacheligen Stichling)

Indirekte Vorteile sind:

  • Ornamente (Good-Genes-Hypothesis)

Zusätzlich zu der durch die oben genannten Faktoren gegebene Wahl werden die Weibchen scheinbar auch durch die Entscheidungen ihrer Artgenossinnen beeinflusst. Diese sogenannte mate choise copying wurde als erstes von Lee Dugatkin 1992 nachgewiesen. Er präsentierte einem Guppy-Weibchen (Poecilia reticulata) zwei verschiedene Guppy-Männchen. Eines dieser beiden war mit dem Modell eines Weibchens assoziiert. Wurde das Modell entfernt und das Weibchen konnte sich frei bewegen, so viel die deutliche Präferenz auf das Männchen, welches vorher mit dem weiblichen Modell assoziiert war. Lässt man Weibchen eine spontane Präferenz für ein Männchen ausdrücken, so kann man in einem zweiten Durchgang mit diesem Paradigma die Präferenz des Weibchens sogar umkehren. Die genannten Nachahmungseffekte lassen sich auch im Bezug auf die Ablehnung eines Männchens rekonstruieren, was bedeutet, dass Weibchen nicht nur darauf achten, wer gewählt, sondern auch wer abgelehnt wird.


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Evolution von Paarungssystemen

Eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielt auch die Verteilung der Geschlechter und damit die Aufteilung der Paarungssysteme. Aufgrund der weitverbreiteten Anisogamie herrschen geschlechtsspezifische Fortpflanzungsstrategien für die beiden Geschlechter. Die Lösung des Konflikt, hängt aus männlicher Sicht vor allem von der Verteilung und Synchronität der Weibchen ab, wohingegen für Weibchen direkte und indirekte Beiträge zur Jungenqualität und -fürsorge von Bedeutung sind.

Es gibt vier zu unterscheidende Arten von Paarungssystemen:

  1. Monogamie: Ein weibliches und ein männliches Individuum bilden für einen oder mehrere Fortpflanzungszyklen eine exklusive Fortpflanzungsbeziehung. Monogamie tritt in Erscheinung, wenn der Fortpflanzungserfolg beider Partner in diesem System am größten ist, oder Polygamie durch verschiedene Umstände verhindert wird.
    Monogamie wird in allen großen Tiergruppen beobachtet, ist als Paarungssystem jedoch am häufigsten bei Vögeln vertreten.
  2. Polyandrie: Ein weibliches Individuum verpaart sich mit mehreren männlichen, die männlichen jedoch nur mit diesem einen Weibchen. Polyandrie ist in der Regel mit obligater männlicher Jungenfürsorge verbunden, sie kommt relativ selten vor. Vorteile sind die erhöhte genetische Varianz der Nachkommen, Fürsorge von mehreren Männchen, Ressourcenanhäufung. Es werden zwei verschiedene Arten von Polyandrie unterschieden:
    1. Ressourcenverteidigungs-Polyandrie: Ein Weibchen verteidigt ein Territorium mit 3 - 4 Männchen, denen sie Eier ins Nest legt und ihnen die Aufzucht der Jungen überlässt.
    2. Männchenverteidigungs-Polyandrie: Mehrere Weibchen kämpfen um den Zugang zu Männchen und verteidigen diese.
  3. Polygynie: Ein männliches Individuum verpaart sich mit mehreren weiblichen, die weiblichen jedoch nur mit diesem Männchen. In einem polygynetischen Paarungssystem können erfolgreiche Männchen ihren Fortpflanzungserfolg maximieren, so dass Polygynie für das Männchen immer vorteilhaft ist, wenn die Mithilfe bei der Jungenaufzucht nicht von essentieller Bedeutung ist. Polygyne Arten sind durch immense Konkurrenz zwischen Männchen gekennzeichnet. Auch hier werden zwei Hauptformen unterschieden:
    1. Weibchenverteidigungs-Polygynie: Ein Männchen monopolisiert und verteidigt eine Gruppe von Weibchen. Die Weibchen können sich aus ökonomischen Gründen zu Gruppen zusammen finden (See-Elefanten (Mirounga angustirostris)), oder sich um das Männchen scharen (Thomas-Languren (Presbytis thomasi), Kleine Lanzennase (Phyllostomus discolor)).
    2. Ressourcenverteidigungs-Polygynie: Die Weibchen können aus verschiedenen Gründen nicht von dem Männchen monopolisiert werden, wohl aber verschiedene Ressourcen, die „geklumpt“ auftreten. Für das Männchen entsteht die Möglichkeit, sich exklusiv mit den Weibchen zu verpaaren, die an der Nutzung der Ressourcen beteiligt sind.
    Polygynie ist für das Weibchen von Vorteil, wenn keine anderen Männchen zur Paarung bereitstehen, oder weil alle geeigneten Nistplätze belegt sind.
  4. Promiskuität: Sowohl männliche als auch weibliche Individuen verpaaren sich mehrmals mit verschiedenen Individuen. Hier sind die Männchen nicht in der Lage Weibchen oder Ressourcen zu monopolisieren

Als Besonderheit seien noch Leks/Chöre zu nennen. Hierbei befinden sich auf einem gewissen Raum viele Männchen, die jeweils ein kleines, nur wenige Quadratmeter großes Revier verteidigen. Da die Männchen weder Brutpflege noch Ressourcen zu bieten haben, finden sich die Weibchen ausschließlich zur Paarung ein. Sie können sich dabei ein- oder mehrfach verpaaren. Die Entstehung solcher Leks könnte damit erklärt werden, dass die Weibchen viel Zeit an diesem Ort verbringen (hotspots) oder weil Weibchen zu attraktiven Männchen hingezogen sind und sich weniger attraktive Männchen mit einfinden, um ihre Paarungschancen zu erhöhen.

 

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Quellen
Wehner/Gehring: "Zoologie" (Thieme Verlag)
Alcock: "Animal Behavior" (Sinauer Associates)
Kappeler: "Verhaltensbiologie" (Springer Verlag)
Wikipedia.de (Zugriff: November 2008)
Fotos
Wikipedia.de

 

Amelie Stallforth, November 2008


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