Teil 1/2
|
Phyllostomidae oder die Neuwelt-Blattnasen
|
Style switch
|
Teil 1: Allgemeines und Habitus - Teil 2: Ernährung und Anpassung, Orientierung und Kommunikation, Verhalten
|
||
Reich |
Animalia |
|
Stamm | Chordata (Wirbeltiere) | |
Klasse | Mammalia (Säuger) | |
Ordnung | Chiroptera (Fledertiere) | |
Unterordnung | Microchiroptera (Fledermäuse) | |
Familie | Phyllostomidae (Neuwelt-Blattnasen) | |
Maße | Kopf- und Körperlänge: von 40 - 135 mm Unterarmlänge: 31 - 105 mm Schwanzlänge: 0 oder 4 - 55 mm |
|
Vorkommen | südliche Teile Nordamerikas und ganz Südamerika | |
Schutzstatus | Laut redlist.org sind vier Arten gefährdet und eine ausgestorben. Die meisten anderen anderen der 149 gelisteten Arten werden in die Kategorie "Lower Risk" eingeordnet. | |
Bild rechts: Drei (3!) ruhende Carollia perspicillata (S. von den Berg)
|
Die Ordnung Chiroptera (Handflügler) ist nach den Rodentia (Nagern) die größte unter den Mammalia (Säugetieren). Fledermäuse lassen sich grob in zwei Hauptgruppen einteilen: |
|
Die Verwandtschaftsverhältnisse von Mega- und Microchiroptera sind derzeit noch immer in der Diskussion. So ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Ordnung der Chiropteren monophyletisch oder diphyletisch entstanden ist, ob also ein gemeinsamer Vorfahre vorhanden ist oder nicht. Verfechter des diphyletischen Ansatzes um Pettigrew vertraten den Ansatz, dass die Vorfahren der Flughunde bei den Primaten zu finden ist, auch als "Flying Primate Hypothesis" bezeichnet (Pettigrew 1986 & Pettigrew 1989). Seit Beginn der neunziger Jahre häufen sich die Anzeichen, dass die Entwicklung doch monophyletisch verlaufen ist (Teeling 2006, Review in Jones et al. 2002). Einigkeit herscht darüber, dass zumindest der Ursprung der Fledermäuse wohl ein flugunfähiger insektenfressender vierbeiniger Waldbewohner war und auch über die Paraphylie innerhalb der Microchiroptera scheint ein Konsens zu bestehen (Teeling et al. 2002).
|
![]() |
Bild rechts: Adulte Carollia perspicillata im Flug (S. von den Berg)
|
|
Die zentrale Frage, welche diese Untersuchungen interessant machen, ist, ob die Flugfähigkeit dieser Säugerordnung in der Evolution einmal bei einem gemeinsamen Vorfahren oder zweimal unabhängig voneinander für jede Unterordnung entstanden ist. Fraglich ist genauso, ob die bei allen Microchiropteren vorhandene Echoortung bei den Megachiropteren sekundär reduziert ist, aufgrund von Diphylie nur bei ersteren evolvierte (und damit unabhängig ein zweites Mal bei R. aegyptiacus) oder bei Monophylie nach der Trennung der beiden Linien entstand.
Für die Fledermäuse konnte die Ursache für die Voraussetzung des aktiven Fluges, die stark verlängerten Phalangen, auf eine einzige Punktmutation zurückgeführt werden, die dafür verantwortlich ist, dass die Finger in der Embryogenese um ein vielfaches schneller wachsen, als die übrigen Knochen des Körpers (Sears et al. 2006). In Experimenten an Carollia perspicillata konnte dies auf das "bone morphogenetic protein 2" (Bmp2) zurückgeführt werden. Die damit gefundene Erklärung für das plötzliche Auftreten der Flugfähigkeit der Feldermäuse erklärt das Fehlen von fossilen Übergangsformen, was bisher von Vertretern des Intelligent Designs als Beweis für das unveränderte Auftreten dieser Ordnung (wie aller anderen Arten auch) gewertet wurde. Das "Intelligent Design"-Konzept wird vor allem von Kreationisten in den Vereinigten Staaten vertreten und teilweise in den Schulen gelehrt. Im Herbst 2006 wurde bekannt, das auch an zwei deutschen Schulen im Biologieunterricht Intelligent Design anstelle von Darwins Evolutionslehre gelehrt wurde. |
Lange wurde darüber gestritten, wie die Familie geschrieben werden sollte: sowohl Phyllostomatidae als auch Phyllostomidae tauchten in der Literatur auf. Nach genauen Analysen der Wortstämme konnte Phyllostomidae als korrekt verifiziert werden. Namensgebend für die Familie ist das Blatt (Phyllos: gr. für Blatt) oberhalb des Mundes (Stomos: gr. für Mund), welches deutlich auf dem Bild rechts zu erkennen ist.
Die Familie der Neuwelt-Blattnasen ist eine sehr diverse Gruppe, bestehend aus 141 Arten in 49 Gattungen (Jones et al. 2002), wobei sich die Angaben je nach Literatur unterscheiden. Die Rote Liste gibt beispielsweise 149 Arten bei einer Anfrage aus (s.o.). Von diesen wird eine Art, Phyllonycteris major, als ausgestorben gelistet, wobei die Arte lediglich aus fossilen Funden von vor 1500 AD bekannt ist. Auch an den stark divergierenden Angaben über die Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Phyllostomidae wird deutlich, dass die Phyllogenie innerhalb der Gattungen noch nicht komplett verstanden ist. Momentan werden die lebenden Phyllostomoidae in sieben oder acht Unterfamilien eingeordnet. Ihr Lebensraum beschränkt sich auf subtropische und tropische Gebiete in Mittel- und Südamerika. |
Phyllostomiden sind sehr variabel in der Größe. Sowohl recht kleine, aber auch die größte der amerikanischen Arten, Vampyrum spectrum, gehört zu diesem Kanon. Fehlt der externe Schwanz ist die äußere Kante des Uropatagiums (Schwanzflughaut) breit eingekerbt. Dabei ist die Morphologie ebenfalls sehr vielseitig, kleine Arten sehen nicht lediglich wie verkleinerte Versionen der großen Arten aus, sondern unterscheiden sich schon allein im Aussehen des Gesichtes und der Skelettes drastisch voneinander. |
|
Die Fellfarbe ist variabel. Bei Ectophylla alba ist die nahezu weiß, eine Reihe von Arten haben ein zweifarbiges Fell, welches an der Basis hell gefärbt ist und zu den Spitzen hin dunkler wird (z.B. Phyllostomus discolor, die daher ihren Namen hat). Einige Arten der Unterfamilie Stenodermatinae haben weiße Streifen entlang der Wirbelsäule und/oder weiße Streifen im Gesicht.
Das Gebiss ist durch die vielfältige Nahrung sehr divers (s. hier). Die meisten Arten haben 26-32 Zähne, aber auch Arten mit nur 20 (Zahnformel: (i 1/2, c 1/1, pm 2/3, m 0/0) × 2) oder mit bis zu 34 (Zahnformel: (i 2/2, c 1/1, pm 2/3, m 3/3) × 2) kommen vor. Auf dieser Skizze ist der Schädel von P. discolor dargestellt, einer typischen ominvoren Phyllostomiden. Ein Nasenblatt ist erwartungsgemäß für gewöhnlich vorhanden, ist es doch namensgebend (s.o.). Die Männchen der Unterfamilie Phyllostomus haben einen drüsigen Kehlsack. Interessanterweise liegt das Gehirn etwas gedreht in der Schädelkapsel. Dieses Bild zeigt die Lage des Gehirns bei P. discolor anhand eines Overlays einer Skizze über einem Foto eines Schädels. Deutlich ist der nach oben geneigte und hinter der Augenkapsel liegende Bulbus olfactorius zu erkennen. Allgemein kann gesagt werden, dass die Phyllostomiden die wohl diverseste Familie der Fledermäuse ist. |
![]() |
Bild rechts: Fell auf dem Rücken von P. discolor, deutlich zu erkennen ist die Farbverlauf von heller Basis zu dunkler Spitze (von den Berg 2006)
|
|
|
|