Caenorhabditis elegans oder C. elegans
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Reich Animalia
Stamm Nematoda
Klasse Secernentea
Ordnung Rhabditida
Familie Rhabditidae
Maße Länge: ca. 1mm
Vorkommen freilebend im Boden in gemäßigten Klimaten Sich bewegender C. elegans
(Courtesy of the Goldstein Lab 1)
Schutzstatus nicht bedroht
Besonderheiten Beliebter Modellorganismus, "Haustier" für die Nobelpreise 2002 & 2006

 

Allgemeines über C. elegans und Eutelie

Was ist so besonders an diesem kleinen Wurm mit dem so schlecht zu merkenden Gattungsnamen, dass ihn mittlerweile fast alle Welt als C. elegans kennt? Ganz einfach, er ist ein hervorragendes Modelltier in Zell-& Entwicklungsbiologie, Genetik, Neurobiologie und mittlerweile auch darüber hinaus. Die Besonderheit liegt in einem Phänomen namens "Eutelie" oder zu deutsch: "Zellkonstanz". Der adulte C. elegans (oder schlichtweg "der Wurm") besitzt stets genau 959 Zellen. Für ihre Arbeiten über den in diesen in den 60er Jahren eingeführten Modellorganismus bekamen Sir John E. Sulston, Sydney Brenner und H. Robert Horvitz 2002, bzw. Andrew Fire und Craig C. Mello 2006 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie, erstere für Arbeiten zum programmierten Zelltod, letztere für die an RNA-Interferrenz. (Für seine Entdeckungen bezüglich der genetischen Regulation der Organentwicklung und der Apoptose erhielt Sulston 2001 sogar den Ritterschlag).

Das Tier erfreut sich in vielen Laboren weltweit großer Beliebtheit und das aus vielerlei Gründen:

  • die definierte Zellanzahl birgt gute Versuchsansätze
  • das Tier insgesamt als auch die Anzahl der Zellen ist übersichtlich
  • trotz des recht simplen Aufbaus lassen sich viele Menchanismen auf andere Arten bis hin zum Menschen übertragen
  • durch die Selbst-Befruchtung ist es einfach, homozygote Stämme heranzuziehen, der am meisten verbreitete Stamm ist der N2-Stamm
  • die Körperoberfläche ist durchsichtig und macht die Präparation und Manipulation leicht
  • seit 1998 ist das Erbgut vollkommen sequenziert (erster Metazoa überhaupt)
  • das Schicksal der einzelnen Zellen ist bereits gut bekannt, alle Zellen sind benannt (z.B. sind Morphologie und synaptische Verknüpfungen aller 302 Neuronen bekannt)
  • die Haltung unter Laborbedingungen gestaltet sich recht einfach und kostensparend - eine Agarplatte mit Nährbakterien (z.B. Escherichia coli) reicht aus. Dabei muß beachtet werden, dass die Bakterien die Nematoden nicht überwuchern. Zu diesem Zweck werden beispielsweise Biosynthese-defiziente Mutanten eingesetzt.
Zurück zu "dem Wurm". Dessen Zellzahl nimmt kontinuierlich in seiner Ontogenese zu. Spannend jedoch ist, dass diese Entwicklung beim Erreichen des 959-Zell-Stadiums nicht zur Vollendung kommt, sondern dass das Tier zeitweise über 1090 Zellen verfügt, jedoch 131 Zellen durch Apoptose (programmierter Zelltod) wieder verliert. Dabei steht das Schicksal der meisten Zellen bei der Furchung fest (Mosaikentwicklung). Es kommen jedoch auch Ausnahmen zu dieser zellautonomen Entwicklung vor, wenn andere Zellen regulierend auf das Entwicklungsschicksal wirken.
Eutelie kommt nicht nur bei Caenorhabditis, sondern auch bei Rädertierchen (Rotatoria) und Bärtierchen (Tardigrada) vor. Der Vorteil liegt in der Tumorvermeidung, da es praktisch zu keinen unkontrollierten Wucherungen kommen kann, wenn die Zellen nicht mehr teilungsfähig sind. Eine Regeneration von zerstörten Zellen ist damit jedoch auch nicht mehr möglich, so dass auch geringe Verletzungen das Ende für das Tier bedeuten können.

Habitus und Genetik
Bei C. elegans handelt es sich um einen runden und fadenförmigen (daher der Name des Stamms) Wurm. Das Ektoderm mit einer dreischichtigen Cuticula (corticale, mittlere und basale Schicht) bedeckt einen Hautmuskelschlauch mit Längsmuskelzellen, die zu einer schlängelnden Fortbewegung befähigen.

Das Innere des Tieres besteht zum größten Teil aus einem Darm, der, an der Mundöffnung beginnend, das Tier bis zum After ungewunden durchzieht, und dem Fortpflanzungsapparat. Das Nervensystem zeigt erste Ansätze einer Cephalisation (Kopfbildung), und damit einhergehend die Tendenz, in diesem Bereich Nervengewebe zu konzentrieren.
Um den Pharynx (Schlund) herum bildet sich ein sogenannter circumpharyngialer Nervenring, der auch die dort liegenden Sinneszellen innerviert. Aus diesem Ring entspring in einer paarigen Wurzel der ventral liegende Hauptnerv. Dorsal läuft ein Nerv entlang der Rückenleiste. Desweiteren kommen kleinere Nerven in den Seiten vor. Von den Muskelzellen ziehen sich z.T. Fortsätze zu den Nerven hin. Diese Muskelzellen "holen" sich quasi ihre Erregung direkt am Nervensystem ab und werden Kahnmuskelzellen genannt.

Die Exkretion wird über die Ventraldrüse (ein einzelliges Gebilde), die ampullenförmig in der hinteren Pharynxregion liegt und etwas weiter vore durch einen schmalen Gang ihre Mündung findet, erledigt. Mittlerweile wird dieser Drüse auch eine sekretorische Funktion zugeordnet.
Hermaphroditen haben zwei Ovarien, ein Ovidukt, Spermatheken und einen Uterus.Männliche Tiere haben einlappige Gonaden, einen Vas deferens ("ausführender Gang") und einen auf die Begattung spezialisierten Schwanz mit Spicula (die zur Anhaftung an das Weibchen und zur Erweiterung des Uterus dienen), Strahlen (ray) und Fächer (fan). Das Tier hat einen diploiden Chromosomensatz mit fünf autosomalen, fast gleich großen Chromosomenpaaren (I-V) und und einem Paar Geschlechtschromosomen (X). Männliche Tiere haben (X0), weibliche (XX) als Geschlechtschromosomen-Paar. Details über die Sequenz finden sich hier. Das gesamte Genom besteht aus 97 Megabasen mit einem AT-Gehalt von 44%.

Ernährung
C. elegans ernährt sich von bakteriellen Phytodestruenten, die im Boden leben.

Fortpflanzung
C. elegans ist ein sich selbst befruchtender protandrischer Hermaphrodit. (Protandrie (= Proterandrie) ist das bei Zwittern verbreitete Phänomen, dass die männlichen Geschlechtsprodukte früher heranreifen als die weiblichen, was eigentlich die Selbstbefruchtung zu verhindern hilft. Hermaphroditen sind Zwitter). So werden zunächst ca. 250 Keimzellen gebildet, die sich zu Spermien entwickeln. Daraufhin werden Eier produziert. Der allergrößte Teil der Würmer sind weiblichen Geschlechts, die sich selbst befruchten können. In normalen Labor-Populationen sind gar nur 0,05% der Tiere männlich. Ursprünglich wurde angenommen, dass sie dadurch entstehen, dass sich die X-Chromosomen in der Gametogenese versehentlich nicht trennen, was durch einen Hitzeschock (30°C für über 6h) provoziert werden konnte.
Neuere Erkenntnisse deuten an, dass sich das sich Genotyp und Geschlecht noch postembryonal ändern können, wozu die geschlechtliche Fortpflanzung (Männchen begattet Hermaphroditen) nötig ist. So entwickeln sich manche XX-Larven aus einer geschlechtlichen Fortpflanzung auf bestimmten Medien zu Männchen, indem sie ein X-Chromosom verlieren. Bei XX-Larven aus selbstbefruchteter Fortpflanzung geschieht dies unter den selben Umständen nicht (aus Science).
Trifft ein Männchen auf einen Hermaphroditen, so können diese miteinander kopulieren, sich reproduzieren und dabei den Genpool durchmischen. Dies führt durch die größere Variation zu einer verbesserten Anpassung an veränderte Lebensbedinungen.
Die Entwicklung erstreckt sich über vier Larvalstadien, die durch Häutungen voneinander getrennt sind. Der Lebenszyklus dauert drei Tage bei 20°C.

Besonderheiten
Cryostabilität
Um Stämme für spätere Untersuchungen bereit zu halten, wurde eine Methode entwickelt, mit der Larven des ersten Stadium unter Zuhilfenahme von Glycerol und anderen Frostschutzmitteln bei -80°C schockgefroren und Jahrzehnte später wieder aufgetaut werden können. Die aufgetauten Larven entwickeln sich daraufhin zu normalen Imagos.

ICE-first - Würmer im All
ICE-first steht für das erste "International C.elegans Experiment". Bei diesem Projekt wird zum ersten Mal untersucht, wie sich die Schwerelosigkeit und die Strahlung auf Faktoren wie genetische Stabilität, Muskelwachstum/ -haltbarkeit, mögliche Veränderungen der genetischen Sequenz und Larvalentwicklung auswirkt, sowie ob bestimmte Zellen sensitiv auf die Schwerelosigkeit reagieren. Mehr zu dem Projekt findet sich hier.


Quellen - offline
Neurobiologie - H. Reichert (Thieme Verlag, 2. Auflage)
Systematische Zoologie - Storch & Welsch (Fischer Verlag, 5. Auflage)
Zoologisches Wörterbuch - Hentschel/Wagner (6. Auflage, UTB - Fischer-Verlag)
"Roles for Mating and Environment in C. elegans Sex Determination" - Prahlad, Pilgrim, Goodwin (Science Vol 302, Nov. 2003)
Quellen - online
http://de.wikipedia.org/wiki/Caenorhabditis_elegans
http://de.wikipedia.org/wiki/Eutelie
http://www.all-science-fair-projects.com/science_fair_projects_encyclopedia/Caenorhabditis_elegans
http://www.biotech.missouri.edu/Dauer-World/Wormintro.html
http://nema.cap.ed.ac.uk/Caenorhabditis/C_elegans.html
http://elegans.swmed.edu/
Bilder
en.Wikipedia.org

Weiterführende Literatur (freizugänglich)

Das online-Buch C. Elegans II : http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/bv.fcgi?rid=ce2
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Sönke von den Berg, September/Oktober 2004

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