Abteilung
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Magnoliophyta (Bedecktsamer)
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![]() Euphrasia rostkoviana |
Klasse
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Magnoliopsida (Zweikeimblättrige)
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Ordnung
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Scrophulariales (Braunwurzartige)
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Familie
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Scrophulariaceae (Rachenblütler)
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Gattung
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Euphrasia
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Maße
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0,2µm Ø
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Vorkommen
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Ganz Europa
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Besonderheiten
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Seit langem eine bewährte Heilpflanze.
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Schutzstatus
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nicht geschützt
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Die Gattung Euphrasia aus der Familie der Scrophulariaceae (Rachenblütler) kommt in ganz Europa vor. Nur in Deutschland und den angrenzenden Ländern unterscheidet man nach aktueller Taxonomie dreißig Arten mit mehreren zusätzlichen Unterarten. Allerdings herrscht bezüglich der Unterscheidungen noch große Uneinheit. Die Blüten sind - wie bei allen Scrophulariaceae - zygomorph (dorsoventral), lassen sich also nur in zwei symmetrische Schnittebenen zerlegen. Zudem sind sie stets kleiner als 15 mm. Euphrasia rostkoviana unterscheidet sich von den übrigen Vertretern der Gattung durch eine Verlängerung der Blüte während des Blühens, die den Kelch deutlich überragen. Im Norden Deutschlands ist die Pflanze zahlreich vertreten. |
E. rostkoviana ist typischerweise auf nährstoffarmen Böden zu finden. Die abgebildeten Pflanzen bzw. Pflanzenteile entstammen einem Kalkmagerrasen auf Kalk-Mergel-Boden, der beim Bau des Mittellandkanals in Höver bei Hannover vor ca. 100 Jahren aufgeschüttet wurde.
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Eine Besonderheit der Gattung Euphrasia ist sicherlich, dass es sich um parasitische Pflanzen handelt. Von ihren kurz gehaltenen Keimwurzeln gehen Haustorien (syn. Saugwarzen, Senker, Penetrationshyphen) aus, die dem Xylem der Wurzeln des Wirtes Wasser entziehen. Haustorien sind typisch für viele parsitäre Organismen, z.B. sind bei parasitischen Pilzen meist einige Hyphen zu eben diesen umgebildet. Misteln (Viscum album) beziehen durch Haustorien Wasser, der photosynthetisch inaktive Teufelszwirn aus der Gattung Cuscuta erhält zudem aus dem Phloem des Wirtes Nährstoffe. Die Keimwurzeln besitzen eine Endodermis ohne die für den Wasserhaushalt wichtigen Caspary-Streifen, die Wurzeln spielen für den Wasserhaushalt dieser Pflanze aber ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Bei Euphrasia rostkoviana handelt es sich um einen Halb- bzw. Wurzelparasiten.
Die Blattunterseiten der Pflanze sind behaart, was eine Anpassung an den Standort sein könnte, da Behaarung von Blättern neben Fraßschutz auch als Verdunstungsschutz gilt (s. Bild unten). |
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Rasterelektronenmikroskopisches Bild von der Blattunterseite
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Die zur Blüte gewandte Blütenblattseite weißt Strukturen auf, die der Gleitzone der Kannenpflanze Sarracenia nicht unähnlich sind (s. Bild unten). Letztere erschwert Insekten dadurch die Flucht aus der Kanne des Fleischfressers. Möglicherweise "leiten" diese Strukturen bei E. rostkoviana ankommende Insekten in Richtung der inneren Blütenorgane, was für die Fortpflanzung sicherlich von Bedeutung ist.
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Rasterelektronenmikroskopisches Bild von der Blütenblattunterseite
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Bereits seit dem Mittelalter gilt Euphrasia rostkoviana als Heilmittel für Husten, Schnupfen und Heiserkeit. In der Hauptsache soll der Augentrost allerdings gegen diverse Augenleiden helfen. Die ursprüngliche Ursache für diese Annahme resultiert wohl aus dem, einem entzündeten Auge nicht unähnlichen, orangenen Schlundeck (siehe Bild rechts). Derartige Annahmen aufgrund des Aussehens bezeichnet man als „Signaturenlehre“.
Seit nunmehr etwa 70 Jahren werden auf dem Extrakt von E. rostkoviana basierende Augentropfen als homöopathisches Heilmittel eingesetzt. Dieser Extrakt wird aus oberirdischen Teilen der Panze zur Blütezeit gewonnen. Im Jahr 2000 wurde die Wirksamkeit der Augentropfen gegen verschiedene Augenleiden des Menschen wissenschaftlich nachgewiesen. Es wird vermutet, dass diese Wirkung durch Phenolverbindungen zustande kommt. Diese Verbindungen hemmen das Wachstum von Bakterien und daraus resultierende Entzündungen durch die Denaturierung von Proteinen. In hohen Konzentrationen werden Phenolverbindungen auch für die Desinfektion von Laboroberflächen benutzt. |
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1. Hiller K: Lexikon der Arzneipanzen und Drogen, Band 1, 1999 Spektrum akademischer Verlag
2. Stoss M, Michels C, Peter E, Beutke R, Gorter RW: Prospective cohort trial of Euphrasia single-dose eye drops in conjunctivitis, J Altern Complement Med. 2000 Dec; 6 (6): 499-508 3. Madigan MT, Martinko JM, Parker J: Brock Biology of Microorganisms 9/e, 2000 Prentice-Hall, Inc. 4. Schmeil O: Flora von Deutschland und angrenzender Länder, 91. Auflage 2000 Quelle und Meyer Verlag GmbH und Co. 5. Campbell N: Biologie, 1997 Spektrum akademischer Verlag 6. Eschrich W: Funktionelle Panzenanatomie, 1995 Springer-Verlag Berlin Heidelberg 7. Sitte P, Weiler EW, Kadereit JW, Bresinsky A, Körner C: Strasburger Lehrbuch der Botanik, 35. Auflage 2002 Spektrum akademischer Verlag 8. Nickrent DL: Parasitic Plants of the World, ch. 2, pp. 7-27 in Lopez-Saez JA, Catalan P, Saez L (Hrsg.): Parasitic Plants of the Iberian Peninsula and Balearic Islands, 2002 Mundi-Prensa, Madrid 9. Nultsch W: Allgemeine Botanik, 11. Auage 2001 Georg Thieme Verlag 10. Larcher W: Ökophysiologie der Pflanzen: Leben, Leistung und Streßbewältigung der Pflanzen in ihrer Umwelt, 6. Auage 2001 Verlag Eugen Ulmer 11. Hegi G: Illustrierte Flora von Mitteleuropa, Band IV, 1, pp. 83-100, 1931 Lehmann Verlag München |
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Ulrich Froriep
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